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Das Thema Russland und die Ukraine spaltet die SZ-Leserschaft weiter. Die einen trauen Präsident Wladimir Putin nicht über den Weg, die anderen fordern Verständnis.

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Es geht nicht nur um die Ukraine

Mordfall Boris Nemzow

Quelle: Julius Koerbel/dpa

"Die wahren Patrioten" vom 3. März, "Tod des Kritikers" vom 2. März und "Beistand für die Balten" vom 24. Februar:

Europäer, schämen wir uns! Wir schauen zu, wie innerhalb Europas ein souveräner Staat von russischen Söldnern und regulären Militäreinheiten mit Waffengewalt destabilisiert und seiner Gebiete beraubt wird. Dazu noch ein Staat, der sich aufgrund des Budapester Memorandums bereit erklärte, sein nukleares Waffenarsenal gegen Sicherheitsgarantien der USA, Großbritanniens und Russlands (!) abzugeben und abzurüsten. Russland hätte sich einer atomar bewaffneten Ukraine gegenüber nie getraut, eine solche Gewaltpolitik anzuwenden. Was für ein verheerendes Signal an alle nach Atomwaffen strebenden oder sie bereits besitzenden Staaten wie Iran, Pakistan, Indien, Israel oder Nordkorea, sich von ihrem nuklearen Waffenpotenzial zu trennen. Sie finden sich geradezu bestärkt, ihre atomaren Waffenprogramme weiterzuführen und auf irgendwelche Sicherheitsgarantien zu pfeifen. Putins offen erklärtes Ziel ist, die ehemals sowjetische Einflusssphäre wiederzuerlangen. Es wurde und wird sukzessive und unverhohlen mit Gewaltmitteln aus düsterer Vergangenheit umgesetzt.

Verhandlungen und wirtschaftliche Sanktionen allein schützen die bestehende europäische Sicherheitsarchitektur nicht mehr. Putin hat sich aus dieser verabschiedet, hält sich an keine Abmachungen und Verträge mehr. Das ist spätestens jetzt klar. Minsk I und II wurden von ihm und seinen eingeschleusten "Separatisten" gebrochen, bevor die Tinte ihrer Unterschriften getrocknet war. Diese Bemühungen werden von Putin in Wahrheit nur verhöhnt. Was sich in Russland selbst zusammenbraut, sollte uns Europäer wachrütteln. Besinnen wir uns auf unsere eigenen gesellschaftlichen und demokratischen Stärken. Unsere multikulturellen, liberalen und demokratischen Gesellschaftssysteme sind lebendig, innovativ und lebenswert, getragen von selbstverantwortlichen, starken Zivilgesellschaften, auch wenn sie viele Diskussionen und friedliche Auseinandersetzungen bedingen. Unsere innereuropäischen Schwierigkeiten können wir immer noch auf einem hohen demokratischen Niveau lösen. Lassen wir uns diese nicht von machtbesessenen Politikern schlechtreden. Helfen wir Staaten, die diesen Werten verpflichtet sind und gerade deswegen durch oligarchische und autokratische Regime als Bedrohung angesehen werden. Die Nato und insbesondere die europäischen Partner müssen die Ukraine jetzt auch militärisch unterstützen, um Russland den Preis für seine Gewalt deutlich zu erhöhen, mit modernen Verteidigungswaffen und, bis die ukrainische Armee einen wirksamen Ausbildungsstand erreicht, direkt mit Eliteeinheiten und Waffenspezialisten. Das wäre ein starkes und offenes Signal an Putin, ohne die heuchlerische und verlogene Taktik der "grünen Männchen".

Dass gerade die Deutschen militärische Optionen kategorisch ausschließen, ist verstörend. Nachdem sie vor 80 Jahren politisch und gesellschaftlich total versagt haben, Europa mit einem Eroberungskrieg in die Katastrophe stürzten, sollten gerade sie sensibilisiert genug sein, den in Russland sich anbahnenden totalitären Entwicklungen und der gewaltsamen Expansionspolitik mit allen Mitteln entgegenzutreten. Markus Haberthür, Zürich/Schweiz

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

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© Süddeutsche Zeitung vom 13.03.2015/wüll
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