Im Falle der Unabhängigkeit:Wäre eine Aufnahme Schottlands in die EU wahrscheinlich?

Im Falle der Unabhängigkeit: Schottlands Regierungschef Alex Salmond mit Unterstützern der Unabhängigkeitsbewegung am 9. September 2014.

Schottlands Regierungschef Alex Salmond mit Unterstützern der Unabhängigkeitsbewegung am 9. September 2014.

(Foto: AFP)

Würde sich Schottland für die Unabhängigkeit entscheiden, wäre der neue Staat nicht mehr EU-Mitglied. Unser Autor erklärt, wie die Chancen für das Land stehen würden, wieder in die EU aufgenommen zu werden. Ganz unproblematisch wäre der Prozess jedenfalls nicht.

Ihre Frage

In einem Facebook-Post zu Schottland hat uns Astrid Knauer folgende Frage gestellt:

Kann Schottland bei einer Abspaltung in die EU oder muss ein Aufnahmeantrag einstimmig von allen EU-Mitgliedsländern befürwortet werden? Wäre England gegebenenfalls gegen eine EU-Aufnahme Schottlands?

Unsere Antwort

Von Stefan Ulrich, stellv. Ressortleiter Außenpolitik der SZ

Falls sich Schottland von Großbritannien abspalten sollte, bliebe das restliche Großbritannien weiter Mitglied der Europäischen Union. Schottland dagegen wäre als neuer Staat zunächst nicht EU-Mitglied. Das Land müsste, wie andere Kandidaten auch, also einen Aufnahmeantrag stellen. Da Schottland ein europäisches Land ist, kann es gemäß Art. 49 des EU-Vertrages einen solchen Antrag stellen, sofern es die sogenannten Kopenhagener Kriterien erfüllt. Dazu zählen insbesondere die Achtung der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie eine funktionsfähige Marktwirtschaft, die dem Wettbewerbsdruck in der EU standhalten kann. Es ist zu erwarten, dass Schottland all diese Kriterien erfüllen würde. Vor einer Mitgliedschaft müsste das Land außerdem den sogenannten Acquis communautaire umsetzen, also das gesamte EU-Recht. Das kann dauern, sollte Schottland, das ja bisher zum EU-Gebiet gehörte, aber keine allzu großen Probleme bereiten.

Die Aufnahme eines neuen Staates muss sowohl vom EU-Parlament als auch von sämtlichen Mitgliedstaaten gebilligt werden. Demnach bräuchte Schottland auch die Zustimmung Großbritanniens. Dieses könnte sich - da es ja unmittelbar von der Abspaltung betroffen wäre - zunächst etwas zieren. Großbritannien dürfte am Ende aber ebenfalls zustimmen, da ihm daran gelegen sein muss, dass die enge Verflechtung und eine freundschaftliche Beziehung mit Schottland erhalten bleiben.

Schottland hätte als unabhängiger Staat also gute Chancen, in die EU aufgenommen zu werden. Allerdings würde der Aufnahmeprozess relativ lange dauern. In der Zwischenzeit wäre Schottland nicht in der EU, was etliche Probleme, etwa beim Handel, bereiten könnte. Um diese zu umgehen, wird in Schottland erwogen, die Aufnahmeverhandlungen mit der EU parallel mit den Trennungsverhandlungen mit Großbritannien zu führen. Schottland könnte dann in dem Moment, in dem es sich von Großbritannien trennt, der EU beitreten. Ein nahtloser Übergang wäre so gewährleistet. Diese Lösung ist jedoch europarechtlich sehr fragwürdig, weil gemäß Art. 49 des EU-Vertrages nur Staaten einen Aufnahmeantrag stellen können. Schottland würde aber erst nach der Trennung von Großbritannien zu einem solchen unabhängigen Staat. Erst dann könnten die Beitrittsverhandlungen beginnen.

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