Igor Strelkow, Kommandeur in der Ostukraine:Der Mann hinter der Schreckensherrschaft

Igor Strelkow, Kommandeur in der Ostukraine: Oberst Igor Strelkow ist Kommandant der Separatisten in Slawjansk. Eigentlich heißt er Igor Girkin.

Oberst Igor Strelkow ist Kommandant der Separatisten in Slawjansk. Eigentlich heißt er Igor Girkin.

(Foto: AP)

Sein Erfolgskonzept ist "das rechtzeitige Ausschalten einiger Anführer des Gegners bewusst auch außerhalb legaler Methoden": Oberst Igor Strelkow war schon im Februar auf der Krim, derzeit kommandiert er die Separatisten in der Ostukraine. Wer ist der Mann?

Von Florian Hassel, Donezk

Anfang Juni 2013 diskutierten in der Redaktion der Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta in Moskau Militärspezialisten über notwendige "Korrekturen bei der russischen Militärreform". Nach Ex- Generalstabschef Jurij Balujewskij schilderte der Oberst der Reserve Igor Strelkow seine Ideen für das Vorgehen von Militär und Geheimdienst, vor allem auch "jenseits der Grenzen des eigenen Territoriums". Dort seien nicht umfangreiche Militäraktionen Schlüssel zum Erfolg, sondern "spezielle Präventivoperationen", zum Beispiel das rechtzeitige Ausschalten einiger Anführer des Gegners bewusst "auch außerhalb legaler Methoden". So hielt das Tagungsstenogramm Strelkows Auftritt fest.

Der Kreml fand Strelkows Konzept offenbar überzeugend. Zuerst fuhr Oberst Strelkow Ende Februar auf die Krim, dann in die ostukrainische Kohle- und Industrieregion Donbass. Strelkow kommandiert nicht nur die Separatisten in Slawjansk: Am 26. April ernannte der nominelle Führer der "Volksrepublik Donezk", Dennis Puschilin, Strelkow auch offiziell zum Anführer des gesamten Militär-und Sicherheitsbereichs.

Seit der russische Oberst das Vorgehen der Separatisten in der Ostukraine steuert, erobern professionelle Kommandos systematisch Regierungsgebäude und Polizeistationen, Fernsehsender, Gerichte oder Offiziersschulen. Außerdem setzen Strelkows Untergebene sein Konzept der rechtzeitigen Ausschaltung einiger Anführer um: Die Separatisten entführen, foltern oder ermorden systematisch ukrainische Lokalpolitiker, für die Einheit der Ukraine streitende Aktivisten und potenzielle Anführer eines Widerstandes gegen sie.

Beseitigung von Gegnern am Telefon abgestimmt

Letztes bekanntes Opfer: Am Freitag wurde bei Donezk der entführte Lokalpolitiker Alexej Demko von der nationalistischen Swoboda-Partei mit Schusswunden schwer verletzt gefunden. Als Demko im Krankenhaus von Makeevka um sein Leben rang, wurde er am Samstag von Bewaffneten abermals entführt - offenbar, um ihn nun endgültig zu ermorden. Demko ist bei der Swoboda-Partei das vierte bekannte Entführungsopfer.

Der ukrainische Geheimdienst SBU veröffentlichte abgehörte Telefonate Strelkows mit anderen Geheimdienstlern, mit dem "Volksbürgermeister" von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjew, oder mit dem Kremlgesandten Wladimir Lukin. In den Telefonaten, deren Authentizität bisher nicht unabhängig bestätigt wurde, diskutiert Strelkow Angriffe auf ukrainische Geheimdienstler, fordert Ponomarjow auf, eine Leiche zu beseitigen oder diskutiert mit Lukin Details der von Moskau befohlenen Freilassung der bis zum 3. Mai gefangen gehaltenen OSZE-Militärbeobachter. Den SBU-Mitschnitten zufolge ist Strelkow auch für Entführung und Mord am Stadtrat Wladimir Rybak mit verantwortlich, der am 17. April im Städtchen Gorliwka entführt und Tage später mit Spuren schwerer Folter ermordet aufgefunden wurde.

"Strelkow" bedeutet auf Russisch so viel wie "Schütze" und ist ein Pseudonym. Ende April identifizierte der SBU Strelkow als Igor Girkin, 44 Jahre alt, russischer Pass 4506460961, wohnhaft in der Moskauer Schenkurskij-Passage 8b. Dort bestätigten seine Nachbarn dem Kiewer Fernsehsender TSN, dass Girkin dort wohne und Soldat sei. Auch Girkins Stellvertreter bei den Separatisten bestätigte seine Identität. Dem SBU zufolge reiste Girkin Ende Februar aus Moskau auf die Krim, von dort aus in die Ostukraine mit dem Auftrag, die Lage zu destabilisieren.

Augenzeugen berichten von Tschetschenen unter den Separatisten

Dem SBU und der EU zufolge gehört Oberst Girkin-Strelkow, der bei Nachstellungen historischer Schlachten gern etwa als russischer Legionär auftritt, zur GRU, dem für Spionage, Sabotage und Mord zuständigen Aufklärungsdienst des russischen Generalstabes. Dem russischen Dienst der BBC zufolge soll Girkin seine Meriten als Oberst der Anti-Terror-Abteilung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB erworben haben. Die offizielle Position des Kreml, er kontrolliere die Separatisten im Osten der Ukraine nicht, überzeugt wenig.

Ende April bestätigte Girkin-Strelkow der Komsomolskaja Prawda, dass er von der Krim in die Ostukraine gekommen sei, und mindestens ein Drittel der Rebellen keinen ukrainischen Pass besitze. Die Witwe des ermordeten Wladimir Rybak, Jelena, berichtete, am Eingang nach Slawjansk hätten ihr an einer unter Girkins Kommando stehenden Straßensperre bewaffnete Tschetschenen den Weg versperrt, als sie die Leiche ihres toten Mannes identifizieren wollte. Auch der vom 1. bis 6. Mai in Donezk gefangene Lokalpolitiker Alexander Sementschenko (Name geändert) berichtete der SZ, im von den Separatisten besetzten Fernsehzentrum habe er einen bewaffneten Tschetschenen erkannt. "Ich bin Ex-Militär und traf damals viele von ihnen."

Der am 6. Mai freigelassene Bergmann Alexander Gurow berichtete in Kiew ebenfalls, unter den Rebellen im Donezker Fernsehzentrum seien "Tschetschenen - mit russischem Akzent". Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow, selbst früher Rebellenführer, hatte schon Ende Februar vorgeschlagen, tschetschenische "Friedensstifter und Soldaten" in die Ukraine zu schicken. Jetzt dementierte Kadyrow allerdings, dass Tschetschenen in der Ostukraine seien.

Linktipp: In einer ausführlichen Reportage beschreibt SZ-Korrepsondent Florian Hassel die "Schreckensherrschaft" der Separatisten in der Ostukraine.

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