IG Metall:Was für ein Erfolgskurs

Die Gewerkschaft steht eigentlich gut da. Aber mit ihrer Tarifpolitik überfordert sie viele Unternehmen - die sich inzwischen auf ihre Weise wehren. Die Erfolge sind auf Dauer teuer erkauft.

Von Detlef Esslinger

Es ist ein Wert an sich, dass es der IG Metall seit einigen Jahren wieder gut geht. Zum fünften Mal in Folge wird in diesem Jahr die Zahl der Mitglieder steigen, die Kassenlage ist glänzend, die jüngsten Tarifabschlüsse waren für die Gewerkschaft außerordentlich erfreulich. Ernsthafte Beschwerden gibt es auf ihrem Kongress nur dergestalt, dass ein Delegierter endlich ein Bettenhaus für die Bildungsstätte Sprockhövel forderte. Auch wer meint, eine Gewerkschaft persönlich nicht zu brauchen, sollte sich dies vor Augen führen: Menschen, die demokratischen Organisationen angehören, noch dazu erfolgreichen, sind vermutlich weniger anfällig für Verschwörungstheorien als jene, die sich allein und alleingelassen fühlen.

Der Erfolg führt bei der IG Metall aber auch zu heiklen Abwägungen. Wenn der neue Vorsitzende Jörg Hofmann sagt, er wolle "den Erfolgskurs weiter fortführen", ist das keine Floskel wie hundert andere auch. Diese Gewerkschaft mutet den Arbeitgebern mehr zu, als es Mitgliedern und Funktionären klar ist. Tarifverträge unterschrieben viele Arbeitgeber zuletzt nur noch, weil unbefristete Streiks ihnen das noch größere Übel gewesen wären. Vor allem die Konflikte um die Übernahme aller Azubis und die Bildungsteilzeit hat viele emotional überfordert. Sie empfanden die IG Metall als Kampfgruppe, die im Betrieb nicht mehr bloß mitbestimmen, sondern bestimmen will. Und jetzt will sie ihnen, eben unter dem Motto "Erfolgskurs fortführen", das Instrument der Werkverträge erschweren sowie für die Beschäftigten ein Wahlrecht erzwingen, wie lange sie am Tag und in der Woche arbeiten möchten. Wann wird die IG Metall den Anspruch erheben, die wahre Personalabteilung zu sein?

Sie setzt mehr durch, als viele Firmen ertragen

Die Folge dieses Eindrucks ist, dass sich mehr und mehr Firmen den Arbeitgeberverbänden und damit der Bindung an Tarifverträge entziehen. IG-Metall-Chef Hofmann sagt es ja selber: Vor zwanzig Jahren galten Tarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie für gut 70 Prozent der Beschäftigten - heute noch für 55 Prozent. Es gibt Branchen und Regionen, wo nur jeder Fünfte noch nach Tarif bezahlt wird.

Aus seiner Sicht gibt es dagegen zwei Strategien: den Staat rufen und mehr Mitglieder gewinnen. Die erste ist garantiert die schlechteste. Wenn es demnächst ein Gesetz zur Regulierung von Werkverträgen gibt, kann das niemals so praktikabel sein, wie es eine Verständigung von Arbeitgebern und Gewerkschaft wäre. Die zweite Strategie ist grundsätzlich immer gut - wer einer Gewerkschaft beitritt, nimmt die Gestaltung seiner Arbeitsbedingungen selbst in die Hand. Allerdings versteht die IG Metall derlei in der Regel als konfrontativen, mit Streiks zumindest drohenden Vorgang. Nur eine erkämpfte Regel gilt ihr als gute Regel.

Im Umgang mit Firmenchefs, die freiwillig nie einem Arbeitgeberverband beitreten würden, geht es vermutlich nur so. Aber es gibt ja auch diejenigen, die ihm lange angehörten, nun aber nicht mehr wollen. Ein Gewerkschaftskurs, der sie zu Tarifflucht veranlasst, ist kein Erfolgskurs.

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