Süddeutsche Zeitung

Idi Amin:Des Killers Abschied im Kreise seiner Liebsten

Er ist ungeschoren davon gekommen, er hat seine tausendfachen Morde nicht büßen müssen: Ugandas Despot Idi Amin wurde in Jeddah (Saudi Arabien)beigesetzt. Die Beerdigung in seinem Heimatland blieb ihm verwehrt.

Von Michael Bitala

(SZ vom 18.8. 2003) - Langeweile ist keine Strafe, schon gar nicht für einen Massenmörder und vermeintlichen Menschenfresser.

Außerdem steht nicht einmal fest, ob sich Idi Amin in den vergangenen 24 Jahren wirklich gelangweilt hat, so wie es Journalisten immer wieder behauptet haben. Der ehemalige Diktator von Uganda hatte zumindest einen geregelten Alltag im saudiarabischen Exil.

In seinem Zufluchtsort Jeddah, der Hafenstadt am Roten Meer, ging der einstige ugandische Boxmeister im Schwergewicht jeden Tag ins Fitnesscenter, war Stammgast im Hotel Al Waha oder saß in den Empfangshallen der internationalen Luxusherbergen.

Dort hielt er bei Kaffee und Kuchen Hof mit Freunden und Verwandten. Den Rest des Tages verbrachte der 1,93 Meter große und 150 Kilo schwere Muslim beim Beten, beim Einkaufen in den riesigen Shopping-Malls oder am Flughafen, wo er Geschenke abholte, die ihm seine Verwandten aus Uganda schickten:

grüne Bananen, Hirse, Cassava, Maniok und Ziegenfleisch, damit er auch in Arabien auf sein afrikanische Leibspeisen nicht verzichten musste.

Und wenn er dann mit seinem Cadillac nach Hause gefahren war, in seine weiße Villa mit Meerblick, dann schaltete er sich durch die internationalen Fernsehprogramme. Fünf Satellitenschüsseln hatte Idi Amin und ein TV-Gerät, das als so groß beschrieben wird wie er selbst.

Und immer wieder ließ der frühere Despot verlauten, dass er keineswegs abgeschirmt vom Rest der Welt lebe, wie es in den ugandischen Zeitungen stehe. "Ich habe immer noch viele Freunde, ich verfolge immer noch alle Nachrichten, ich bin immer noch ein Mann dieser Welt."

Mörder von 300 000 Menschen

Idi Amin Dada oder "Big Daddy", wie er sich selbst bezeichnete, ist ungeschoren davongekommen.

Die einzige Strafe, die er erdulden musste, war, dass er sich in Saudi-Arabien nicht mehr politisch äußern durfte und dass er eben nicht mehr in seine Heimat zurückkehren konnte. Aber in Uganda wäre ihm der Prozess gemacht worden, und die Anklage hätte gelautet:

Mord an schätzungsweise 300 000 Menschen. Das war das Resultat seiner Herrschaft von 1971 bis 1979. Einer Zeit, die immer noch als eine der blutigsten und grausamsten Phasen der jüngeren afrikanischen Geschichte gilt. Amin war nicht nur der Tyrann, der seine Schergen mit den Morden beauftragte, er selbst beteiligte sich an diesem Gemetzel.

Es gibt Hunderte von Geschichten, die ihn als psychopathischen Killer darstellen, als einen, der seine Gegner den Krokodilen vorwarf, Zwiesprache hielt mit den abgeschlagenen Köpfen seiner Feinde oder deren Fleisch im Kühlschrank aufbewahrte.

Die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Idi Amins ist auch die Geschichte der rücksichtslosen Politik ehemaliger Kolonialmächte in Afrika. Der vermutlich 1925 in Arua geborene Nordugander schaffte in der britischen Kolonialarmee die Karriere vom Küchengehilfen zu einem von zwei ugandischen Offizieren.

Und schon damals fiel Amin durch extreme Grausamkeit auf. Bei der Niederschlagung des Mau-Mau-Aufstands im Nachbarland Kenia gab es in seinem Distrikt die meisten Morde an Zivilisten - doch dafür wurde er von den Briten nie belangt.

Nach der Unabhängigkeit 1962 wurde er stattdessen zum Oberbefehlshaber der ugandischen Armee.

Vom Westen begrüßt

Eine ähnliche Karriere hatte der Soldat Mobutu im Kongo gemacht, der es vom Journalisten zum im Westen gefeierten General und Putschisten brachte und 1965 mit Unterstützung der Amerikaner und Belgier die Macht an sich riss und dann 32 Jahre lang nicht mehr hergab.

Der Staatsstreich Idi Amins 1971 wurde ebenfalls vom Westen begrüßt, weil damit Milton Obote gestürzt worden war, der in den Zeiten des Kalten Kriegs viel zu viel von Sozialismus sprach.

Als "sanfter Riese" wurde Amin anfangs in den europäischen Medien bezeichnet, als einer, der Uganda auf der richtigen Seite beließ. Da war es dann offensichtlich auch egal, dass der neue Präsident kaum lesen und schreiben konnte und Männer in sein Kabinett berief, die kurz zuvor noch bei der Müllabfuhr oder als Taxifahrer gearbeitet hatten.

Dass der Diktator sofort nach dem Umsturz systematisch die meisten Gegner ermorden ließ - erst Militärs und Politiker, dann Intellektuelle -, spielte für die Interessen der Westmächte keine Rolle.

Weltberühmt aber wurde Idi Amin nicht durch seine Grausamkeiten, sondern durch seine exzentrische Außenpolitik.

Seine Telegramme sind längst in die Geschichte der internationalen Diplomatie eingegangen.

So schrieb er an Richard Nixon während der Watergate-Affäre: "Wenn Dich Dein Land nicht versteht, komm zu Papa Amin, der Dich liebt. Ein Kuss auf beide Deiner Wangen."

Die britische Königin Elizabeth II. bezeichnete er regelmäßig als "Liz" und bot ihr nicht nur einen Besuch in Uganda an, damit sie mal "einen richtigen Mann" zu Gesicht bekomme, während der Ölkrise schickte er ihr auch noch eine Schiffsladung Gemüse, um "die schwere wirtschaftliche Rezession zu lindern".

Verehrer Hitlers

Und an Kurt Waldheim, den von seiner Nazi-Vergangenheit bedrängten ehemaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, schrieb er: "Ich drücke meine Unterstützung für die historische Figur von Adolf Hitler aus, der Krieg führte, um Europa zu vereinigen. Sein einziger Fehler war, dass er ihn verloren hat."

Als "Polit-Clown" wurde Amin gerne bezeichnet, weil er auch in Phantasieuniformen und mit Phantasietiteln wie "Eroberer des britischen Empires" Staatsbesuche machte, unter anderem in Deutschland, wo er von Kanzler Willy Brandt und Bundespräsident Gustav Heinemann empfangen wurde.

Doch die Bezeichnung "Polit-Clown" ist eine unzulässige Verharmlosung. Welchen Horror Amin über sein Land brachte, zeigte sich der Weltgemeinschaft spätestens ein Jahr nach seiner Machtübernahme.

1972 forderte er die 50 000 in Uganda lebenden Asiaten auf, das Land innerhalb von drei Monaten zu verlassen - ihren Besitz, zusammengerechnet rund eine Milliarde US-Dollar, mussten sie zurücklassen, womit dem ostafrikanischen Land das wirtschaftliche Rückgrat gebrochen war.

Todfeind Israels

Amin überlebte das alles nicht nur durch seine Terrorherrschaft, sondern auch, weil er zum Islam übergetreten war und sich damit die finanzielle Unterstützung von Muammar al-Gaddafi aus Libyen gesichert hatte.

Nach den Anschlägen auf die israelischen Sportler bei den Olympischen Spielen in München gratulierte er den Terroristen, außerdem forderte er vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen die Zerstörung des Staats Israel.

Seine anti-israelische Haltung ging so weit, dass er seine Soldaten 1976 beauftragte, die ins ugandische Entebbe entführte Air-France-Maschine mit den jüdischen Passagieren so lange unter Kontrolle zu halten, bis Verstärkung für die palästinensischen Terroristen eingetroffen sei.

Der Plan scheiterte, weil ein israelisches Befreiungskommando eingriff und die Menschen rettete. Zurück blieben zwar 27 tote ugandische Soldaten, aber die Unterstützung der gesamten arabischen Welt war Amin damit sicher.

Tatenlose Welt

Obwohl damals schon Zehntausende Zivilisten in Uganda ums Leben gekommen waren, griff die Weltgemeinschaft nicht ein. Es gab nicht einmal nachhaltige Proteste, als der Tyrann 1975 Präsident der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) wurde. Nur Botswana, Tansania und Sambia boykottierten die Konferenz.

Erst 1976 brach Großbritannien die Beziehungen zur ehemaligen Kolonie ab.

Und niemand weiß, wie lange Idi Amin noch regiert hätte, wäre der Präsident des Nachbarlands Tansania, Julius Nyerere, nicht bereit gewesen, den Despoten zu verjagen.

Nach mehreren Versuchen gelang es seiner Armee und Exil-Ugandern 1979, einzumarschieren und bis in die Hauptstadt Kampala vorzurücken. Amin floh nach Libyen, wo er ein Jahr lang von Gaddafi beschützt und dann nach Saudi-Arabien weitergereicht wurde.

Warum Idi Amin von der Welt ziemlich schnell vergessen wurde, warum er mit großzügiger Unterstützung der saudischen Königsfamilie ein luxuriöses Leben im Exil verbringen konnte, liegt wohl daran, dass 1979 noch weitere Despoten gestürzt wurden: Kaiser Bokassa in der Zentralafrikanischen Republik und der Schah von Persien.

Zumindest die Ausrufung des Gottesstaats Iran durch Ayatollah Khomeini beherrschte damals die Aufmerksamkeit der Welt weit mehr als die Vertreibung eines geisteskrank anmutenden afrikanischen Schlächters.

Nur noch einmal, 1989, versuchte Amin, nach Uganda zurückzukehren. Mit einem gefälschten Pass reiste er in die kongolesische Hauptstadt Kinshasa, wo er aber umgehend vom dortigen Diktator Mobutu nach Saudi-Arabien zurückgeschickt wurde.

Verwehrte Heimkehr selbst als Leichnam

Als Amin Anfang dieses Jahres 2003 Geburtstag feierte, ließ er verkünden, dass er bald in seine Heimat zurückgehen werde, sein Sohn Hadschi Ali, eines von vermutlich mehr als 40 Kindern, habe das zerstörte Elternhaus wieder aufgebaut.

Als der "Hitler von Afrika" im Juli ins Koma fiel, wollte ihn seine Familie nach Uganda zurückbringen lassen. Doch selbst jetzt, nachdem er am Samstag in der König-Faisal-Klinik in Jeddah an Organversagen gestorben ist, bleibt Amin die Heimreise verwehrt.

Es ist zwar eiserne afrikanische Tradition, Tote in ihrem Geburtsort zu begraben, der frühere Diktator aber wurde noch am Samstag in Saudi-Arabien beigesetzt.

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