Süddeutsche Zeitung

Identitäre:Mörderische Ideologie

Der Österreicher Martin Sellner propagiert die Lüge vom "Bevölkerungsaustausch". Sie kann Rechtsextreme glauben machen, sie befänden sich im nackten Überlebenskampf.

Kommentar von Nicolas Richter

Identitäre geben sich gerne als nette Jungs. Der Österreicher Martin Sellner zum Beispiel hätte kraft seines Aussehens einst durchaus in der Band Tokio Hotel auftreten können. Sellner wirkt freundlich, entspannt und spielt gern den smarten Intellektuellen. Er freue sich darüber, sagt er, dass seine Gedanken in der politischen Debatte auftauchten.

Aber Sellners Identitäre sind keine harmlose Boygroup. Stattdessen verbreiten sie penetrant das Schreckensbild vom "Bevölkerungsaustausch", wonach Europas weiße, christliche Bevölkerung nach und nach durch überwiegend muslimische Zuwanderer ersetzt wird. Diese These lässt sich wissenschaftlich nicht belegen und ist auch nach der Flüchtlingskrise so unsinnig wie vorher. Das Gefährliche an dieser Verschwörungstheorie ist es, dass sie Rechtsextremisten in der Vorstellung bestärkt, sie befänden sich im nackten Überlebenskampf. Der Terrorist, der jüngst im neuseeländischen Christchurch gewütet hat, nannte sein Pamphlet den "Großen Austausch" und tat so, als würde er mit einem Massenmord an Muslimen das alte Europa retten.

Dieser Terrorist war ein erklärter Fan des identitären Posterboys Sellner. Dieser gibt sich als cooler Ideologe, aber auch cool beworbene Ideologien sind Ideologien, und wie alle Ideologien können auch sie mörderisch sein.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2019/kit
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