Süddeutsche Zeitung

Icesave-Schulden:Island und die Schuldfrage

In Island schiebt man die Schuld am Icesave-Debakel auf die EU. Doch deren Spielregeln akzeptierten die Politiker der Insel vor dem Crash nur zu gerne.

Gunnar Herrmann

Am Ende wird Island die Icesave-Schulden bezahlen, egal wie das Referendum nun ausgegangen ist. Dafür gibt es einen guten Grund: Das Geld von Hunderttausenden Bankkonten darf nicht einfach verschwinden. Würde man das zulassen und Island die knapp vier Milliarden Euro schenken - das Vertrauen in das europäischen Finanzsystem und den freien Kapitalverkehr wäre erschüttert. Das ist nicht im Interesse Europas, und es ist auch nicht im Interesse Islands.

Aber ist das auch gerecht? Die Isländer machen Mängel im europäischen Finanzsystem für den Bankencrash mitverantwortlich. Dieses System, so argumentieren viele, habe die EU geschaffen. Nun hat sich Island aber freiwillig daran beteiligt.

Die Politiker der Insel akzeptierten die Spielregeln der europäischen Geldmärkte vor dem Crash nur zu gerne, sie halfen den Banken und waren bestenfalls blauäugig. Möglicherweise waren einige auch korrupt. Das untersucht derzeit eine Parlamentskommission. Aber bei diesen Leuten handelte es sich jedenfalls um die gewählten Vertreter des Volkes. Darum trifft die Isländer eine Mitschuld an der Misere.

Teilschuld der EU-Länder

In einem Punkt haben die isländischen Kritiker trotzdem Recht: Das internationale Regelwerk ist lückenhaft. Sonst wäre es den Banken in Reykjavik kaum gelungen, nahezu unkontrolliert Kleinsparer im Ausland zu plündern und ihre Heimat an den Rand des Staatsbankrotts zu treiben.

Die europäischen Finanzmarktregeln haben dieses Treiben nicht verursacht, aber sie haben es auch nicht verhindert. Deshalb tragen die EU-Länder eine Teilschuld. Ein neues Icesave-Abkommen sollte diesen Sachverhalt widerspiegeln und die Belastungen zwischen den betroffenen Staaten verteilen.

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Quelle:
SZ vom 08.03.2010/jab
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