Österreich:Haftstrafe für Drahtzieher des Ibiza-Videos

Österreich: Julian Hessenthaler vor dem Landesgericht in St. Pölten.

Julian Hessenthaler vor dem Landesgericht in St. Pölten.

(Foto: Georges Schneider/imago)

Ein Gericht in Österreich verurteilt Julian Hessenthaler trotz dünner Beweislage wegen Drogenhandels. Seine Anwälte glauben, er sei "hineingelegt" worden.

Von Cathrin Kahlweit, St. Pölten

Insgesamt dreieinhalb Jahre Haft ohne Bewährung - so lautet das Urteil gegen Julian Hessenthaler am Landesgericht St. Pölten. Der Mann, der 2017 gemeinsam mit Bekannten das Ibiza-Video aufnahm, auf dem Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit einer vermeintlichen Oligarchennichte über den Ausverkauf Österreichs verhandelt und das die damalige FPÖ-ÖVP-Regierung 2019 zu Fall brachte, sitzt bereits seit anderthalb Jahren in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Er habe mit Kokain gedealt. Hessenthaler soll vor einigen Jahren bei drei Treffen an zwei Bekannte insgesamt 1,25 Kilogramm Kokain zum Weiterverkauf übergeben haben. Intensive Ermittlungen einer Sonderkommission nach den Hintermännern des Ibiza-Videos hatten - laut den Ermittlern eher zufällig - zu den Vorwürfen gegen Hessenthaler geführt.

Der Prozess war von Anfang an hochpolitisch gewesen. Der Angeklagte sowie seine Verteidiger Oliver Scherbaum und Wolfgang Auer hatten stets betont, dass die Ermittlungen wegen Drogenhandels nicht von denen zum Ibiza-Video zu trennen seien; hier werde mit konstruierten Vorwürfen ein Whistleblower bestraft, der viel riskiert habe. Auch Hessenthaler selbst beklagte sich am letzten Verhandlungstag, Sonderkommission und Staatsanwaltschaft hätten einseitig ermittelt. Es gebe keine Sachbeweise für den Kokainhandel, nur die Aussagen von zwei wenig glaubwürdigen Zeugen.

Tatsächlich hatten sich die zwei Hauptbelastungszeugen im Verfahren beständig widersprochen. Beide waren selbst drogensüchtig; die Zeugin Katarina H. sprach außerdem schlecht Deutsch, wurde aber viele Male ohne Dolmetscher befragt. Sie konnte sich an viele Details nicht erinnern, andere Angaben wechselten ständig. Ihr Ex-Freund Slaven K., der auch V-Mann der Polizei war, wollte Hessenthaler monatelang gar nicht belasten, änderte dann aber seine Meinung. Kurios auch: Der mutmaßliche Lobbyist für den Glücksspielkonzern Novomatic, Gert Schmidt, der zugleich Betreiber einer Webseite ist und seinen Beruf als Journalist angibt, hatte Slaven K. Geld für Informationen zum Fall Hessenthaler bezahlt und auch seine Anwaltskosten übernommen; er trat gleichwohl als Zeuge der Anklage auf.

Hessenthalers Anwälte stellten die Frage in den Raum, ob der Angeklagte "hineingelegt" worden sei, weil man ihn für das Ibiza-Video bestrafen wolle, das ein politisches Erdbeben in Österreich auslöste und zahlreiche ÖVP-Politiker ins Visier der Strafverfolgung brachte. Der Rechtsstaat in Österreich, so Verteidiger Oliver Scherbaum, stehe auf dem Prüfstand. Die Vorwürfe gegen seinen Mandanten seien nicht zweifelsfrei zu beweisen, weshalb im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden sei.

Richter wehrt sich gegen den Vorwurf, "Teil eines Verschwörungskonstrukts" zu sein

Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass vor allem der Zeuge Schmidt, der von Beginn an intensives Interesse an den Hintermännern des Ibiza-Videos gezeigt und auch eigene Ermittlungen angestellt habe, den Hauptbelastungszeugen Slaven K. zu seinen Behauptungen animiert habe. Eben dieser Schmidt habe vor der Veröffentlichung des Videos Hunderte Chatnachrichten mit Johann Gudenus, dem damaligen Begleiter von Strache auf Ibiza und FPÖ-Chef von Wien, ausgetauscht, dies aber lange dementiert. Und könne es nicht sein, fragte Scherbaum weiter, dass die Ibiza-Sonderkommission bei der Polizei mit "nicht ganz lauteren Mitteln" bei der Verfolgung von Hessenthaler nachgeholfen habe?

Der Staatsanwalt wies derartige Vermutungen in seinem Plädoyer zurück, konnte aber seinerseits nicht mit klaren Beweisen aufwarten, sondern berief sich - trotz ihrer zahlreichen Widersprüche und ihres schlechten Leumunds - auf die Glaubwürdigkeit der zwei Hauptzeugen. Er habe "nicht das Gefühl gehabt", dass diese etwas erfunden hätten. Vielmehr habe vor allem die Zeugin Katarina H., die "unsterblich" in ihren Freund Slaven K. verliebt gewesen sei, "reinen Tisch machen" und eine Lebensbeichte ablegen wollen. Auch der Staatsanwalt fand die Rolle des Zeugen Schmidt, der Geld nicht nur für Informationen, sondern auch für eindeutige Falschinformationen in der Causa Hessenthaler gezahlt habe, "sonderbar", aber das tue letztlich nichts zur Sache, weshalb die Anklage bei ihrer Forderung nach einem Schuldspruch bleibe.

Der Richter verwahrte sich, auch im Namen seiner zwei Schöffen, in seiner mündlichen Urteilsbegründung gegen den Vorwurf, "Teil eines Verschwörungskonstrukts" zu sein. Das Gesamtbild der Vorwürfe sei glaubwürdig; die Aussagen der Zeugen deckten sich im Grundsatz. Das Gericht habe sich angesichts des "medialen Getöses" unter Druck gesehen, das Urteil sei aber kein Ergebnis "irgendeiner Einflussnahme". Mit "Verfassungsschutz oder Behördenproblemen" habe "das alles nichts zu tun". Die Verteidigung wird Berufung einlegen.

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