Ibiza-Affäre:Österreichs Rechtsstaat verkommt zur Farce

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Heinz-Christian Strache, ehemaliger FPÖ-Parteivorsitzender und Vizekanzler von Österreich, nach seiner Befragung im Ibiza-Untersuchungsausschuss Anfang Juni. (Foto: dpa)

Die "Aufklärung" der Ibiza-Affäre rund um Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache beweist: Österreich hat ein Korruptionsproblem und muss dringend Reformen zulassen. Sonst ist der nächste Skandal nicht weit.

Kommentar von Leila Al-Serori, Wien

Als das Ibiza-Video im Mai 2019 veröffentlicht wurde, dachte wohl so mancher Beobachter, schlimmer geht's nicht. Schließlich legte Österreichs mittlerweile ehemaliger Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) angetrunken einer falschen Oligarchennichte die halbe Republik zu Füßen. Ein Jahr und Hunderte unerwartete Wendungen später hat sich ein anderer Eindruck verfestigt. Doch, es geht schlimmer.

Der österreichische Rechtsstaat gibt in den vergangenen Wochen ein verheerendes Bild ab. Zu den Korruptionsvorwürfen in mehreren Schattierungen haben sich ungeklärte Anschuldigungen von Vertuschung, politschen Interventionen und Schlamperei gesellt. Es ist der Eindruck entstanden, dass Ermittler und Politik nicht an der schonungslosen Aufarbeitung eines der bedeutendsten Korruptionsfälle der österreichischen Geschichte interessiert sind. Dass die Republik zwar offenbar ein Problem mit Korruption hat, aber nicht den Willen, dieses Problem zu lösen. Ein Eindruck, der eines Rechtsstaates unwürdig ist.

Kurz im Ibiza-U-Ausschuss
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Österreichs Kanzler Sebastian Kurz muss als Zeuge die Rolle seiner Partei in der Ibiza-Affäre erörtern - und sich dabei so manchen Angriff der Opposition gefallen lassen.

Von Leila Al-Serori

Die Causa Ibiza ist längst nicht mehr nur Schlagwort für Verfehlungen von Strache und der FPÖ - sondern auch von Politikern aller Couleur und den Behörden. Seit Anfang Juni tagt im Parlament ein Untersuchungsausschuss, und er hat dieses Bild verstärkt. Kein Tag vergeht, ohne dass neue Vorwürfe und Skandale den Medien zugespielt werden. Diese sind oft regelrecht absurd, reichen von Drogenmissbrauch bis hin zu Verbindungen ins Rotlichtmilieu - ein gefundenes Fressen für den Boulevard, der die Ibiza-Affäre sowieso schon als grelles Medienspektakel in Szene setzt.

Dahinter stehen oft parteipolitische Interessen, die die gemeinsamen Aufklärungsversuche zurückdrängen. Der Untersuchungsausschuss ist zur Wahlkampfveranstaltung mutiert. Das machte auch der Auftritt von Kanzler Sebastian Kurz am Mittwoch deutlich. Die Abgeordneten der Opposition nahmen ihn teilweise hart ran, teilweise kochten sie ihr eigenes Süppchen, die eigene Partei deckt ihn sowieso. Große Erkenntnisgewinne gab es nicht.

Dabei spielt die Kanzlerpartei ÖVP längst keine Nebenrolle mehr. Kurz muss sich natürlich die Frage gefallen lassen, inwiefern er von den Umtrieben seines Koalitionspartners wusste und inwiefern seine Partei darin involviert war. Vor allem da Kurz als jemand gilt, der gerne die Kontrolle behält. Hinzu kommen Vorwürfe seitens der Opposition, dass die ÖVP die Aufklärung absichtlich behindere. Die dem ÖVP-geführten Innenministerium unterstellten Ermittler sollen offenbar ohne nachvollziehbare Gründe Beweismaterial vor der Korruptionsstaatsanwaltschaft zurückgehalten haben. Nicht immer ist klar auseinanderzudividieren, was Schlamperei ist - und was politische Intervention. Es sind jedenfalls schwerwiegende Vorwürfe, die restlos aufgeklärt gehören.

All die Vorkommnisse unterstreichen, was Experten seit Jahren fordern: Justiz und Polizei müssen in Österreich dringend reformiert, Versuche parteipolitischer Einflussnahme auf die Justiz unterbunden werden. Der Eindruck, dass es immer nur noch schlimmer werden kann, der Rechtsstaat nur eine Farce ist, muss aufhören. Dem ganzen Land sollte daran gelegen sein, dass die Causa Ibiza nicht zum Spektakel verkommt, sondern langfristige Reformen und mehr Transparenz zur Folge hat. Sonst ist der nächste Korruptionsskandal nur eine Frage der Zeit.

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© SZ vom 25.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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