Ibiza-Affäre:Skandale, Spuren und Schlampereien

Ibiza-Affäre: Ist Österreichs Kanzler in die Ibiza-Affäre verstrickt? Und wie tief? Am Mittwoch muss er vor dem Untersuchungsausschuss als Zeuge aussagen.

Ist Österreichs Kanzler in die Ibiza-Affäre verstrickt? Und wie tief? Am Mittwoch muss er vor dem Untersuchungsausschuss als Zeuge aussagen.

(Foto: AP)

In Österreich vergeht kein Tag ohne neue Vorwürfe in der Ibiza-Affäre. Der Versuch einer Entwirrung.

Von Leila Al-Serori, Wien

Seit drei Wochen tagt der Untersuchungsausschuss zur Ibiza-Affäre, in dem die Korruptionsvorwürfe gegen Österreichs ehemaligen FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache aufgearbeitet werden sollen. Kein Tag vergeht seither ohne neue Skandale und fragwürdige Vorgänge. Der Versuch einer Entwirrung.

1. Die vielen Stränge

Die Oppositionsparteien haben einiges in diesen Untersuchungsausschuss gepackt, die vielen Stränge machen die Aufarbeitung kompliziert. Es geht um Vorwürfe gegen Strache, die durch das Ibiza-Video aufkamen, das SZ und Spiegel in Auszügen im Mai 2019 veröffentlichten und den Bruch der ÖVP/FPÖ-Regierung und Straches Rücktritt zur Folge hatte. Aber auch um die anschließend sichtbar gewordenen Affären um Postengeschacher und Parteispenden. Nicht nur die FPÖ ist dabei im Fokus, sondern auch der damalige Koalitionspartner ÖVP. Und damit Kanzler Sebastian Kurz, der mit alldem nichts zu tun haben möchte. An diesem Mittwoch muss er als Zeuge im Untersuchungsausschuss erscheinen.

Bisher konnte er die Brandmauer aufrechterhalten, die er nach Veröffentlichung des Videos mit der Ankündigung von Neuwahlen aufzog. Die Oppositionsparteien werden sich bei der Befragung bemühen, dieser Mauer Risse zuzufügen. Denn einige Spuren führen von Ibiza auch zur ÖVP. Am brisantesten dabei ist die Casinos-Austria-Affäre, wo es um mögliche Gegenleistungen für die Berufung eines FPÖ-Politikers in den Vorstand des Glücksspielunternehmens geht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Amtsmissbrauch gegen Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger. Er muss auch im Ausschuss aussagen.

2. Das parteipolitische Hickhack

Erschwert wird die sachliche Auseinandersetzung durch gegenseitige Anschuldigungen aller Parteien, die meist über die Medien gespielt werden. Die FPÖ müht sich, die ÖVP und insbesondere Kurz in den Ibiza-Sumpf hineinzuziehen, SMS mit Strache sollen seine Mitverantwortung beweisen. Am Dienstag wurden Chats zwischen Kanzler und Vize kurz vor Veröffentlichung des Videos im Mai 2019 publiziert, die aber inhaltlich wenig brisant sind. Zuvor wurden dem ÖVP-nahen Kurier die Ermittlungsakten zugespielt - daraufhin zeigte die Zeitung Fotos des früheren Strache-Intimus Johann Gudenus beim vermutlichen Kokain-Konsum. Gudenus tat das als "Schnee von gestern" ab.

Auch die liberalen Neos erheben immer wieder Vorwürfe gegen die ÖVP, was dieser wiederum so sauer aufstößt, dass ein Abgeordneter der Fraktionsführerin im Ausschuss, Stephanie Krisper, damit drohte, die Staatsanwaltschaft gegen sie einzuschalten. Krisper fordert nun einen "Offenbarungseid" des Kanzlers und will seine ganze Kommunikation offengelegt haben.

3. Das Gezerre um das Video

Fragwürdige Vorgänge gab es auch um das Video, das alles auslöste und von der SZ aus Gründen des Quellenschutzes und medienrechtlichen Überlegungen nicht komplett publiziert wurde. Mitte Mai verkündeten die Ermittler der Soko Tape, die dem ÖVP-Innenministerium unterstellt ist, das Ibiza-Videomaterial beschlagnahmt zu haben. Justiz und Untersuchungsausschuss erfuhren davon aus den Medien. Just erhob die Opposition den Vorwurf, dass hier mit Absicht etwas zurückgehalten werde, sie prangerte Zensur an. Mittlerweile liegt das Video bei der Staatsanwaltschaft, anschließend wird es an den Ausschuss weitergegeben. Damit hat sich die Aufregung nicht gelegt, mediale Beachtung fand auch die Tatsache, dass die konfiszierten Aufnahmen im Besitz einer Pornodarstellerin gewesen sein sollen - wie diese dorthin kamen, ist ungeklärt.

Die Soko selbst steht auch im Fokus, weil ein führender Ermittler Strache nach dessen Rücktritt eine aufmunternde SMS geschrieben hat. Ermittlungsakten kamen zudem unleserlich bei der Staatsanwaltschaft an. SPÖ, Neos und FPÖ fordern nun die Auflösung der Soko und die Übernahme der Ermittlungen durch das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung.

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