Hybride Kriegsführung?:Erneuter Kabelbruch in der Ostsee

Lesezeit: 2 Min.

Hier wird der Strom des inzwischen beschädigten Estlink-2-Kabels umgewandelt: eine Konverterstation im finnischen Porvoo. (Foto: Markku Ulander/dpa)

Zwischen Finnland und Estland wird ein Stromkabel beschädigt. Die finnische Polizei setzt einen Öltanker fest, der der russischen Schattenflotte zugerechnet wird.

Von  Alex Rühle

Am Mittwochmittag gegen 12.30 wurden Schäden an Estlink 2 entdeckt, einem von zwei Stromübertragungskabeln zwischen Finnland und Estland. Der Riss wurde Mittwochabend an dem Teil des 170 Kilometer langen Kabels lokalisiert, der in finnischen Gewässern liegt. Auf einer Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag sagte der Chef der finnischen Polizei, Robin Lardot, dass der Schaden aller Wahrscheinlichkeit nach von der Eagle S verursacht worden sei, einem Schiff, das unter der Flagge der Cookinseln fährt, aber zur russischen Schattenflotte gezählt wird.

Nach Angaben des Überwachungsdienstes Marinetraffic war die Eagle S genau zu dem Zeitpunkt, an dem die Stromübertragung aussetzte, mit stark gedrosselter Geschwindigkeit über das Estlink-2-Kabel gefahren. Als der finnische Grenzschutz die Eagle S aufforderte, ihren Anker zu lichten, tauchte nur die Ankerkette auf. Die Polizei setzte das Schiff fest und leitete ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen schweren Vandalismus ein.

Premierminister Orpo fordert bessere Kontrolle der russischen Schattenflotte

Estlink 2 wird von der finnischen Stromfirma Fingrid betrieben. Der Ingenieur Kimmo Nepola, der bei Fingrid für die Unterseekabel verantwortlich ist, sagte, das Kabel habe einen Durchmesser von 15 Zentimeter, wiege 80 Kilogramm pro Meter und sei außerdem mit einem Stahlmantel umhüllt, weshalb es „großer mechanischer Kraft“ bedürfe, um es zu beschädigen.

Die Eagle S hatte vor dem Zwischenfall im russischen Hafen Ust-Luga bei Sankt Petersburg gelegen. Sie soll dort 35 000 Tonnen bleifreies Benzin geladen haben. Das britische Schifffahrtsmagazin Lloyd’s List zählt die Eagle S zur sogenannten Schattenflotte, hunderten von meist veralteten und nicht ausreichend versicherten Schiffen, mit deren Hilfe Russland die Sanktionen des Westens umgeht. So sieht es auch die EU: „Das verdächtige Schiff ist Teil der russischen Schattenflotte, die die Sicherheit und die Umwelt bedroht und gleichzeitig den russischen Kriegshaushalt finanziert“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der EU-Kommission und der Außenbeauftragten Kaja Kallas.

Erst vor zwei Wochen hatte sich die EU in ihrem 15. Sanktionspaket darauf geeinigt, dass die Ostsee-Anrainer die Kontrollen auf Schiffen der russischen Schattenflotte verschärfen, indem sie zukünftig Einsicht in Versicherungsdokumente verlangen, wenn solche Schiffe den Öresund oder den Ärmelkanal passieren. Außerdem hatte die EU in dem Zusammenhang 52 Schiffe mit Zugangs- und Dienstleistungsverbot in europäischen Häfen sanktioniert; insgesamt gilt das Verbot jetzt für 79 Tanker. Allerdings gehen Fachleute davon aus, dass die Schattenflotte an die 400 Schiffe umfasst.

Die Beschädigungen reihen sich ein in eine ganze Liste ähnlicher Vorfälle

Am Donnerstagmittag gab die finnische Transport- und Kommunikationsagentur Traficom bekannt, dass auch vier Kommunikationskabel zerstört worden seien: drei, die zwischen Estland und Helsinki verlaufen, und eines, das Helsinki mit Rostock verbindet.

Die Beschädigungen reihen sich ein in eine ganze Liste ähnlicher Vorfälle: Im Oktober 2023 hatte ein chinesisches Schiff mit seinem Anker eine finnisch-estnische Gasleitung aufgerissen. Im November dieses Jahres wurden zwei Kommunikationskabel, die Deutschland und Finnland beziehungsweise Schweden und Litauen verbinden, gekappt. Auch bei diesen Zwischenfällen wird ein chinesisches Schiff dringend verdächtigt, absichtlich seinen Anker als Zerstörungsmittel eingesetzt zu haben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKasachstan
:Abschuss durch russische Luftabwehr wahrscheinlich

Vieles deutet darauf hin, dass die Passagiermaschine irrtümlich von der russischen Flugabwehr getroffen wurde, bevor sie in Kasachstan abstürzte. Der Kreml lehnt „irgendwelche Hypothesen“ vor Abschluss der Untersuchungen ab.

Von Florian Hassel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: