Hungersnot:Mehr als ein Drittel der Menschen im Südsudan vom Hungertod bedroht

Hungersnot: Frauen tragen Einkäufe nach Hause: Die Menschen im Südsudan sind von einer Hungersnot bedroht.

Frauen tragen Einkäufe nach Hause: Die Menschen im Südsudan sind von einer Hungersnot bedroht.

(Foto: AFP)
  • Bis zu 4,8 Millionen Menschen im Südsudan sind laut UN "mit ernsthaften Nahrungsmittelengpässen konfrontiert".
  • Es bestehe die Gefahr einer Hungerkatastrophe.
  • Menschenrechtsaktivisten kritisieren die Zusammenarbeit der EU mit Regimen in der Region.

Im Südsudan sind nach UN-Angaben bis zu 4,8 Millionen Menschen vom Hunger bedroht. Auf sie kämen in den kommenden Monaten wegen aufflammender kriegerischer Konflikte und schlechter Ernten gravierende Engpässe bei der Lebensmittelversorgung zu, erklärten mehrere Organisationen der Vereinten Nationen (UN).

"Die Nahrungsunsicherheit ist in diesem Jahr so hoch wie nie zuvor", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Das UN-Welternährungsprogramm wird daher voraussichtlich 3,3 Millionen Menschen mit Nothilfen versorgen.

Südsudan: Jüngster Staat der Welt

Südsudan wird als "jüngster Staat der Erde" bezeichnet. Auf einer Fläche von der ungefähren Größe Frankreichs leben etwa zwölf Millionen Menschen. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt bei gerade einmal 17 Jahren. Die Einwohner gehören einer Vielzahl unterschiedlicher Ethnien an; die größte Gruppe stellen mit 35 Prozent die Dinka. Anders als im muslimisch geprägten Sudan überwiegen im Südsudan die Christen. Trotz seiner Bodenschätze - vor allem Erdöl - ist die Armut im Südsudan groß. Hinzu kommt eine Vielzahl an sozialen und politischen Konflikten.

Die Menschen im Südsudan leiden unter gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen politischen Lagern. Dabei starben seit Beginn des Konflikts mehr als 10 000 Menschen, mehr als zwei Millionen wurden vertrieben. Allein in den vergangenen Monaten flohen laut UN 100 000 Menschen aus dem verarmten Land, unter anderem in den nördlich gelegenen Sudan, von dem der Süden seit fast fünf Jahren unabhängig ist.

Die Konflikte haben die Ölproduktion stark eingeschränkt. Sie ist die wichtigste Einnahmenquelle des Staates. Auch die gesunkenen Ölpreise schmälern die Einnahmen. Hinzu kommen Beschränkungen des Güterverkehrs, weil in der aktuellen Regenperiode viele Straßen unpassierbar sind.

Neue Fluchtwelle: Vor allem Familien, die fast nichts bei sich haben

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtet von einer neuen Fluchtwelle nach Kämpfen in der südsudanesischen Stadt Wau. Nach aktuellen Schätzungen des Ärztehilfswerks sind etwa 70 000 Menschen geflohen, darunter 10 000 zum Stützpunkt der UN-Truppen. "Es sind vor allem Familien, die fast nichts bei sich haben und dringend Nahrung, Wasser, Unterkünfte und medizinische Hilfe brauchen", sagt der Vize-Leiter der medizinischen Sektion im Land, David Kahindi.

In den vergangenen Tagen hat das Hilfswerk nach eigenen Angaben mehrere Hundert Verletzte in mobilen Kliniken versorgt. Die meisten Patienten litten demnach an Malaria, Mangelernährung, Durchfallerkrankungen und Atemwegsinfektionen. "Wir wissen noch nicht, wie viele Menschen getötet wurden, aber es liegen noch immer Tote auf den Straßen", klagt Kahindi.

Der Südsudan hatte im Sommer 2011 seine staatliche Unabhängigkeit vom Sudan erklärt. Seit 2013 liefert sich Staatspräsident Salva Kiir einen blutigen Machtkampf mit seinem Herausforderer Riek Machar. Mehrmals wurden unter internationalem Druck Waffenruhen vereinbart - doch bereits Tage oder schon Stunden später wieder gebrochen. Seit April regieren die einstigen Rivalen das Land als Folge eines Friedensabkomens gemeinsam - Kiir als Staatschef und Machar als Vizepräsident. Doch verschiedene Milizen, die weder Kiir noch Machar unterstehen, kämpfen weiter gegeneinander.

EU mache sich mitschuldig an Menschenrechtsverletzungen

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisiert die Pläne der EU zur Bewältigung der europäischen Flüchtlingskrise als "moralisch inakzeptabel". Die EU möchte dazu künftig stärker mit Herkunfts- und Transitländern in Afrika zusammenarbeiten. Die Entwicklungshilfe werde daran gekoppelt, "dass die Empfängerländer bereit sind, für Europa die Drecksarbeit zu machen", sagte der Geschäftsführer der Flüchtlingshilfsorganisation, Günter Burkhardt, dem Deutschlandfunk.

Mit den Plänen der EU solle es unerreichbar werden, in Europa Asyl zu bekommen. Burkhardt sprach von einer "Erosion der Menschenrechte". Außerdem mache sich die Staatengemeinschaft durch die Zusammenarbeit mit Ländern wie Sudan oder Libyen mitverantwortlich für schwerste Menschenrechtsverletzungen dort. Diese "enthemmte Politik" sei eine Reaktion auf den wachsenden Nationalismus und Rechtspopulismus in Europa, vermutet Burkhardt.

"Die EU setzt auf einen Schmusekurs mit Äthiopien und dem Sudan"

Am Dienstagabend hatten die Staats- und Regierungschefs der EU beschlossen, "wirksame Anreize" für ausgewählte Staaten in Afrika zu schaffen, um Flüchtlingsströme zu reduzieren und "irreguläre Einwanderer" in ihre Heimat zurückzubringen. Der Zustrom von Menschen über Libyen nach Italien müsse verringert werden, forderten die Teilnehmer des Gipfels.

Um das zu erreichen, sollen finanzielle Hilfen, Entwicklungszusammenarbeit und Handel als Instrumente eingesetzt werden. Die Bereitschaft zur Rücknahme und Rückführung von Flüchtlingen sei dabei "der Schlüsseltest für die Partnerschaft". Ziel seien erste Vereinbarung mit Drittstaaten "bis zum Jahresende".

Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warf der EU vor, durch ihre Kooperation mit den diktatorisch geführten Regierungen Äthiopiens und des Sudan die Massenflucht vom Horn von Afrika zu schüren. "Die EU setzt auf einen Schmusekurs mit Äthiopien und dem Sudan und ignoriert so die Fluchtursachen", kritisierte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius.

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