Hungersnot in Ostafrika:Der Regen kommt - zu spät und zu heftig

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Mehr als zwölf Millionen Menschen hungern am Horn von Afrika aufgrund der Dürre, Zehntausende sind schon gestorben, Unzählige sind auf der Flucht. Nun regnet es in Mogadischu - doch die heftigen Niederschläge machen alles nur noch schlimmer.

Die Situation in den Hungergebieten Ostafrikas wird mit jedem Tag schlimmer. "Mehr als zwölf Millionen Menschen in Somalia, Kenia, Äthiopien und Dschibuti brauchen dringend Hilfe. Und die Zahl wächst täglich", sagte die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos in New York. Die Zukunft einer ganzen Generation stehe auf dem Spiel.

Flüchtlinge in Mogadischu suchen Schutz, als ein heftiger Regen auf Somalias Hauptstadt niedergeht. Die Niederschläge haben die provisorischen Hütten vieler Hungernder zerstört. (Foto: AP)

Auslöser der Katastrophe ist die Dürre. Zum zweiten Mal in Folge sind die Niederschläge der Regenzeit ausgeblieben. Seit April diesen Jahres haben die Menschen vergeblich auf ein Ende der Trockenheit gewartet.

Am schlimmsten trifft die Hungersnot die Menschen in Somalia. Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef sind dort allein 1,25 Millionen Kinder auf Hilfe angewiesen. "Ausmaß und Schwere machen die Krise in Somalia zur mit Abstand größten Hungerkatastrophe auf der Welt. Zehntausende Menschen sind schon gestorben und Hunderttausenden droht der Hungertod", sagte Amos.

In Somalias Hauptstadt Mogadischu, wo Zehntausende Flüchtliche Hilfe und Zuflucht gesucht haben, regnete es am Wochenende nun endlich. Doch die Wucht der heftigen Niederschläge hat viele provisorische Unterkünfte der Hungernden zerstört und ihre Lage noch verschlimmert. Die Bewohner saßen die Nacht über durchnässt in der Kälte.

Die Versorgung der Flüchtlinge wird auch in anderen Regionen immer schwieriger. So behindern Kämpfe zwischen somalischen Regierungstruppen und Aufständischen den Einsatz der Helfer. Große Gebiete im Süden Somalias sind komplett abgeschnitten. "Wir müssen die Leute aber da erreichen, wo sie sind, und das ohne Verzögerung", warnte Amos. "Wir fordern von allen Parteien ungehinderten Zugang. Unser alleiniges Ziel ist es, Leben zu retten."

Zunehmend schwieriger wird auch die Versorgung der Menschen in den Lagern in Äthiopien und Kenia, in die jeden Tag Tausende Flüchtlinge aus Somalia strömen. Dort werden weitere Unterkünfte, Wasser und sanitäre Einrichtungen benötigt. "Wir müssen den Druck auf die Gastländer verringern, die selbst unter der Dürre leiden", erklärte die UN-Expertin.

Die UN-Mitglieder hätten zwar mehr als eine Milliarde Dollar (knapp 700 Millionen Euro) Soforthilfe versprochen. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind jedoch 2,48 Milliarden US-Dollar nötig, um den insgesamt zwölf Millionen Betroffenen in der Region zu helfen. Das Geld werde dringend gebraucht, sagte Amos. "Jeder Tag kann den Unterschied machen zwischen Leben und Tod."

Die Afrikanische Union (AU) will am 9. August in Addis Abeba eine Geberkonferenz für die Opfer der verheerenden Hungersnot am Horn von Afrika veranstalten. Der afrikanische Kontinent und die gesamte Welt müssten sehen, wie sie das Leiden mindern könnten, erklärte AU-Vizechef Erastus Mwencha bei einem Besuch in der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Die AU selbst hat bisher lediglich 500.000 US-Dollar (etwa 347.000 Euro) zur Bekämpfung der Hungersnot gespendet.

Hungerkatastrophe am Horn von Afrika
:"Viele sind schon zu schwach, um sich zu retten"

Die schwerste Dürre seit Jahren bedroht zwölf Millionen Menschen, eine halbe Million Kinder sind in akuter Todesgefahr. Und auch wer die Flüchtlingslager erreicht, ist noch nicht in Sicherheit.

Während die Öffentlichkeit beim Thema Hungersnot in diesen Tagen vor allem auf Somalia blickt, leidet auch Eritrea - weitgehend unbemerkt. Das fünf Millionen Einwohner zählende Land, das an den Sudan, Äthiopien und Dschibuti grenzt, hat ebenso unter dem ausbleibenden Regen und der Nahrungsmittelknappheit zu leiden. Doch die autokratische Regierung, gegen die internationale Sanktionen bestehen, will nicht zugeben, dass auch ihr Land von der Dürre erfasst wurde.

Satellitenaufnahmen zeigen allerdings, dass in Eritrea ähnliche Bedingungen herrschen wie in Somalia, Äthiopien und Dschibuti. Allein im Juli haben Behördenangaben zufolge fast 1000 Eritreer ein Flüchtlingslager im Norden Äthiopiens erreicht.

Anders als sonst gehe der Flüchtlingsstrom während der Regenzeit dieses Jahr nicht zurück, sagt Simon Girmaw vom UN-Flüchtlingshilfswerk. Die Flüsse, die in Eritrea normalerweise aufgrund der Niederschläge von Mitte Juni bis Mitte September anschwellen, führen wegen der Dürre lediglich knöchelhoch Wasser oder sind teilweise sogar ganz ausgetrocknet. Für die Flüchtlinge ist es deshalb weiterhin möglich, sie zu Fuß zu durchqueren. Zudem wollen viele Bauern in diesem Jahr nicht mehr auf Regen warten.

Eine zunehmende Zahl der Eritreer nenne den Nahrungsmangel als Grund für ihre Flucht, sagt Berhane Hailu von der äthiopischen Flüchtlingshilfe. Die Lebensmittelvorräte in seinem Land seien erschöpft, sagte ein Flüchtling, der nach eigener Aussage als Statistiker im eritreischen Landwirtschaftsministerium gearbeitet hat. Er berichtete, dass die Regierung die Versorgung jeder Familie auf nur noch zehn Kilogramm Getreide pro Monat rationiert habe.

Die Behörden hätten keine Vorräte mehr und würden versuchen, Weizen aus dem Sudan zu importieren. Bezahlt würden diese mit den Erlösen aus dem Bergbau - Eritreas einziger Einnahmequelle, neben den Überweisungen von im Ausland lebenden Staatsbürgern.

Das Land erhält aufgrund von UN-Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen keine ausländische Hilfe. Auch wird vermutet, dass Eritrea extremistische Gruppen unterstützt, darunter die Islamisten der al-Shabab in Somalia. Das Welternährungsprogramm hat eigenen Angaben zufolge seit 2005 weder Lebensmittel in Eritrea verteilt, noch hat es Anfragen nach Nahrungsmittelhilfe von dort erhalten.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/dapd/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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