Antiisraelischer Protest:Polizei räumt besetztes Institut der Humboldt-Uni

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Proteste vor der Berliner Humboldt-Universität: Die Polizei nimmt eine Aktivistin vorübergehend fest. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Seit Mittwoch halten propalästinensische Aktivisten ein Gebäude der Berliner Universität in Beschlag. Einen Tag später lässt die Hochschulleitung die Besetzung beenden - auf "Anweisung von ganz oben"

Einen Tag, nachdem radikale propalästinensische Aktivisten Räume der Berliner Humboldt-Universität in Beschlag genommen hatten, hat sich die Leitung der Hochschule entschlossen, das besetzte Gebäude zu räumen. "Wir haben nun die Bestätigung der Humboldt-Universität, das besetzte Institut zu räumen", teilte die Polizei am Donnerstagabend auf dem Portal X mit und begann kurz darauf mit der Räumung.

Verschlossene und teils verbarrikadierte Türen würden von der Polizei gewaltsam geöffnet, sagte eine Polizeisprecherin am Donnerstagabend. Gleichzeitig begleite die Polizei die Personen, die das Gebäude freiwillig verließen, nach draußen und stelle ihre Identitäten fest. Nach Angaben einer dpa-Reporterin wurden etwa 20 Aktivisten am Abend aus dem besetzten Gebäude geleitet. Die Polizei sprach von zwei Gruppen, die das Gebäude freiwillig verlassen hätten. Am späten Donnerstagabend erklärte die Polizei dann die Räumung für abgeschlossen. Insgesamt hatten sich nach ersten Angaben etwa 150 Aktivistinnen und Aktivisten im Gebäude befunden, wie Polizeisprecherin Beate Ostertag sagte.

Zuvor hatte die Universität erklärt, die Besetzung der Räume durch propalästinensische Aktivisten bis Donnerstag, 18 Uhr, dulden zu wollen. Die Besetzer hatten am frühen Abend noch mit Universitätspräsidentin Julia von Blumenthal über eine Verlängerung der Besetzung verhandelt. Anschließend äußerte von Blumenthal ihr Bedauern darüber, dass keine Einigung erreicht worden sei. "Es kam dann die Anweisung von ganz oben, die Besetzung zu beenden. Dieser Anweisung habe ich Folge geleistet", sagte sie. Damit meine sie den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU), führte sie auf Nachfrage an. Die Universität werde keine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs stellen, da die zeitweise Besetzung geduldet gewesen sei. Laut einem Bericht der Zeitung Bild, die sich auf Regierungskreise berief, war die Räumung nach einem Gespräch zwischen Wegner, Innensenatorin Iris Spranger, Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (beide SPD) und Uni-Präsidentin von Blumenthal beschlossen worden.

Die Aktivisten hatten Räume des Instituts für Sozialwissenschaften am Mittwoch aus Protest gegen Israel und zur Unterstützung der Palästinenser besetzt, etwa 100 übernachteten ihren Angaben zufolge in der Universität. An dem besetzten Institut hingen am Donnerstag Transparente, unter anderem mit der Aufschrift "Free Palestine". Zum Teil mit Palästinensertüchern vermummte Besetzer skandierten in Sprechchören "Viva Palästina" und "Yalla Intifada". Intifada bezieht sich auf Serien von Angriffen und Terroranschlägen von Palästinensern in Israel und wird auch als Aufruf zur Gewalt interpretiert.

Kritik von CDU, SPD und Polizeigewerkschaft

Die CDU hatte die Duldung zuvor kritisiert, denn sie könnte als Ermunterung für weitere Straftaten missverstanden werden, sagte Burkard Dregger, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion: "In Berlin und an unseren Hochschulen ist kein Platz für Hass und Antisemitismus. Wir werden nicht zulassen, dass irrlichternde Aktivisten unsere Forschungsstätten als Bühne missbrauchen." Die SPD-Fraktion forderte, "den strafbaren Handlungen und Sachbeschädigungen ein Ende" zu bereiten. "Besetzungen dürfen nicht zu Dauerlagen führen, das macht sie polizeilich schwieriger zu bewältigen. (...) Der Dialog über den Nahostkonflikt ist ohne illegale Aktionen leichter herstellbar." Kritik kam auch von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Es gilt die Autonomie der Lehre, und gerade Universitäten sollten als Ort des Austauschs und der Diskussion gelten", betonte Sprecher Benjamin Jendro. Das sei aber keine Legitimationsgrundlage, um sich außerhalb des demokratischen Rahmens zu bewegen, antisemitische und menschenverachtende Parolen zu grölen, verfassungsfeindliche Plakate hochzuhalten und Sachbeschädigungen zu begehen.

Vor der Uni hatten unterdessen nach Polizeiangaben etwa 300 Menschen demonstriert. Im Zuge der Proteste wurden demnach 23 propalästinensische Aktivisten kurzzeitig festgenommen, um deren Identität festzustellen. Es handelte sich um 18 Männer und fünf Frauen, wie die Polizei am Donnerstag mitteilte. Es wurden 25 Strafermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Sachbeschädigung und Widerstands gegen die Polizei.

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