Libyen-Einsatz:Bundeswehrverband warnt vor "militärischem Abenteuer"

Erst die Weigerung, deutsche Soldaten nach Libyen zu schicken, jetzt die Kehrtwende: Die Bundesregierung schließt einen humanitären Einsatz nicht aus, Grüne und SPD signalisieren Zustimmung. Anders sieht das der Bundeswehrverband.

Im Weltsicherheitsrat hatte sich die Bundesregierung enthalten, aber nun erwägt sie doch, Bundeswehrsoldaten nach Libyen zu schicken - allerdings nur für eine humanitäre Mission im Rahmen der EU. Beim Bundeswehrverband stößt aber auch ein solcher, vermeintlich friedlicher Einsatz auf Kritik.

Bericht: Bundesregierung erwägt doch Libyen-Einsatz

Regierung, SPD, Grüne, libysche Rebellen - alle halten einen humanitären Einsatz der Bundeswehr im Kriegsgebiet grundsätzlich für positiv. Nur die Interessensvertretung der deutschen Soldaten nicht.

(Foto: dpa)

Es sei nur schwer nachzuvollziehen, wie diese Pläne zu der bisherigen Linie Deutschlands passen, sich an keinem Militäreinsatz in Libyen zu beteiligen, sagte der Vorsitzende der Interessenvertretung der Soldaten, Ulrich Kirsch, in Berlin. Er forderte von der Bundesregierung Klarheit über deren Libyen-Pläne und warnte, dass man ohne eindeutige Exit-Strategie Gefahr laufe, auf eine Rutschbahn zu geraten. "Wir müssen aufpassen, dass nicht aus einer Hilfsmission ein militärisches Abenteuer mit unabsehbaren Folgen wird."

Die Bundesregierung stellte derweil klar, dass sie im Rahmen der militärischen Absicherung eines humanitären Hilfseinsatzes in Libyen auch Bodeneinsätze deutscher Soldaten in libyschen Städten nicht ausschließe. Für den Fall einer deutschen Teilnahme sei "es doch ganz klar, dass man dann den Fuß auf libyschen Boden setzen würde", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin.

Der Sprecher hob aber hervor, dies sei alles bislang sehr spekulativ, zumal noch gar keine UN-Anfrage für einen derartigen Einsatz vorliegt. "Die Initiative muss von der Uno ausgehen", sagte auch Regierungssprecher Steffen Seibert. Er bekräftigte, wenn eine Anfrage zur militärischen Sicherung eines Hilfseinsatzes von der Uno an die EU gestellt werde, habe die Bundesregierung ja bereits ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, "der deutschen Verantwortung gerecht zu werden". Grüne und SPD erklärten sich grundsätzlich dazu bereit, im Bundestag einem humanitären Einsatz der Bundeswehr in Libyen zuzustimmen.

Rasmussen bedauert Tod von Rebellen

In Libyen sieht man eine mögliche Beteiligung der Bundeswehr an einem humanitären Einsatz offenbar positiv - zumindest auf Seiten der Aufständischen. "Wenn sich Deutschland beteiligen würde, wäre das eine große Sache", sagte Mustafa Gheriani, ein Sprecher des Übergangsrates der Aufständischen, in Bengasi. Er signalisierte grundsätzliches Verständnis für die deutsche Haltung, nicht an militärischen Kampfeinsätzen mitzuwirken. "Wir kennen die deutsche Geschichte und wissen, dass es immer Vorbehalte gegen Militäreinsätze gibt", sagte Gheriani.

Unterdessen hat Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen Bedauern über hat den Tod mehrerer Aufständischer bei dem versehentlichen Beschuss ihrer Panzer geäußert: "Dies ist ein bedauerlicher Vorfall. Ich bedauere sehr den Verlust an Leben", sagte Rasmussen in Brüssel. Wenige Stunden zuvor hatte Nato-Kommandeur Russell Harding eine Entschuldigung abgelehnt, weil die Rebellen die Allianz nicht über den Einsatz der Panzer informiert hätten. "Es scheint, dass unsere Angriffe von gestern den Tod einiger Rebellen zur Folge hatten", sagte Nato-Kommandeur Russell Harding im Regionalquartier der Allianz in Neapel in einer Videokonferenz. "Aber ich werde mich nicht dafür entschuldigen."

Zur Begründung führte er an, die Situation vor Ort ändere sich ständig. Zudem sei es Aufgabe der Nato, Zivilisten zu schützen, und Panzer seien in der Vergangenheit wiederholt dazu eingesetzt worden, um Zivilisten anzugreifen. "Wir hatten keine Information darüber, dass der Nationale Übergangsrat oder oppositionelle Kräfte Panzer benutzen", sagte Harding. Der Militärchef der libyschen Rebellen, Abdel Fattah Junes, erklärte hingegen, die Nato sei sehr wohl über den Einsatz von Panzern durch die Aufständischen informiert worden.

Bei dem Bombardement von Nato-Kampfflugzeugen nahe Brega waren am Donnerstag drei Panzer zerstört und ein Krankenwagen von Granatsplittern getroffen worden. Mindestens zwei Rebellen und ein Sanitäter starben.

Anders als der US-General Carter Ham wollte der Brite Harding nicht von einer Pattsituation in Libyen sprechen. "Ja, es bewegt sich, aber nur in einem relativ kleinen Bereich", sagte er. Ham, der Chef des US-Afrika-Kommandos, hatte sich vor dem US-Senat zu Libyen geäußert und gesagt, es sei unwahrscheinlich, dass es den Rebellen in Libyen gelingen werde, Machthaber Muammar el Gaddafi zu stürzen.

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