Süddeutsche Zeitung

Humanitäre Situation in Kenia:Eine halbe Million Menschen in Gefahr

Harry Gülker, seit 2003 beim Deutschen Roten Kreuz, arbeitet in Kenia für die Hilfsorganisation und betreut ein Wasserprojekt im Makueni-Distrikt. Am Telefon meldet er sich aus der Rotkreuz-Zentrale in Nairobi.

Gökalp Babayigit

sueddeutsche.de: Ist Ihre eigene Sicherheit im Land noch gewährleistet?

Harry Gülker: Eine gewisse Unsicherheit ist in dem Beruf immer da. Wenn es so böse wird, dass sich die Angriffe auch gegen Ausländer richten oder dass wir unserer Arbeit gar nicht mehr nachgehen können, dann werden wir von unserer Zentrale nach Hause geholt. Aber bis dahin bleiben wir hier. Das ist unsere Arbeit. Wir versuchen eben, humanitäre Hilfe zu leisten, so lange wir dazu in der Lage sind.

sueddeutsche.de: Was tun Sie für Ihre persönliche Sicherheit?

Gülker: Wir selbst befinden uns derzeit in Wohngebieten, wo sich das Geschehen nicht direkt abspielt. Aber wir fahren in Nairobi jetzt auch nicht durch die Gegend und gehen einkaufen.

sueddeutsche.de: Inwiefern ist Ihre Projektarbeit von den Unruhen betroffen?

Gülker: Unser Entwicklungsprojekt im Makueni-Distrikt liegt in einer Gegend, in der es noch ruhig ist. Doch die Krise wirkt sich natürlich auch auf unsere Arbeit aus. Es gab in den letzten Tagen kaum mehr Benzin zu kaufen, auch Lebensmittel sind knapp geworden. Wir hoffen, dass sich die Lage schnell wieder verbessert, so dass wir so schnell wie möglich wieder an unseren Projekten weiterarbeiten können.

sueddeutsche.de: Sie stehen auch in Kontakt zu Ihren kenianischen Kollegen vom Roten Kreuz. Haben diese bereits Ihre Hilfe angefordert?

Gülker: Bisher gelingt es ihnen, die Lage zu meistern. In Nairobi waren sogenannte "Emergency Stocks", Notfallbestände vorrätig, die nun im Westen Kenias gebraucht werden. Dort liegen derzeit die größten Schwierigkeiten.

Das kenianische Rote Kreuz geht derzeit von 100.000 Menschen aus, die von den Unruhen betroffen sind. Das sind größtenteils Menschen, die aus ihren Dörfern vertrieben wurden. Viele von ihnen kampieren in Wäldern und auf Feldern, manche sind in Polizeistationen untergebracht - ohne jegliche Versorgung.

sueddeutsche.de: Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Gülker: Solch eine Flüchtlingswelle zieht natürlich weitere Probleme nach sich. Ohne Wasserversorgung nutzen die Menschen das Wasser aus verseuchten Flüssen, Krankheiten breiten sich wegen fehlender Sanitäranlagen schneller aus und so weiter. Falls die Unruhen weitergehen, so schätzen die Kollegen, können bis zu 500.000 Menschen betroffen sein.

Das kenianische Rote Kreuz hatte bereits im Vorfeld der Wahlen 500 Freiwillige rekrutiert, die medizinisch ausgebildet sind und erste Hilfe leisten können. Jetzt ruft es auch zu Spenden auf.

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