Huawei:Trauen oder misstrauen, das ist hier die Frage

Inside Huawei Technology's Campus as Company Sues U.S. Over Equipment Ban in Escalating Legal Clash

Ein Sicherheitsrisiko? Huawei, hier eine Forschungseinrichtung in Dongguan, schlägt weltweit mittlerweile Argwohn entgegen.

(Foto: Qilai Shen/Bloomberg)
  • Ein Bericht der britischen Geheimdienste soll in Kürze zeigen, ob man dem chinesischen Netzwerkausrüster Huawei trauen kann.
  • Fiele das Urteil negativ aus, hätten die Mobilfunkanbieter ein Problem: Ein Rückbau der bereits installierten Huawei-Technik wäre finanziell kaum zu stemmen.
  • Ausgerechnet die Briten, von deren Votum nun so viel abhängt, halfen Huawei einst, in Europa Fuß zu fassen.

Von Christoph Giesen und Georg Mascolo

Hängt schon wieder alles an den Briten? Dieses Mal die Frage, ob Europa seine Technik für den Ausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G in China einkauft. Ob also der Telekom-Riese Huawei im Geschäft bleiben darf. 27 europäische Staaten schauen in diesen Tagen auf London, dort wird trotz Brexit-Chaos ein Bericht der Geheimdienste erwartet, ob man dem chinesischen Netzwerkausrüster trauen kann, ob man mögliche Risiken - Spionage oder Sabotage - durch genaue Überprüfungen im Griff behalten kann. Oder eben nicht. Großbritannien hat einen der erfolgreichsten und bisweilen skrupellosesten Abhörapparate der Welt, ist Mitglied der mächtigen, von den USA angeführten Geheimdienstallianz Five Eyes. Das Wort von der Insel hat Gewicht.

Mancher in Europa fragt sich ohnehin, wie Huawei innerhalb weniger Jahre so mächtig, so erfolgreich auf dem Kontinent werden konnte. Beinahe überall ist die Technik verbaut. So umfangreich, dass nun Unternehmen wie die Telekom Deutschland auch weiterhin auf die Chinesen setzen wollen.

Das europäische Mobilfunknetz ist ein Flickenteppich, in jedem Staat werden die 5G-Lizenzen einzeln ausgeschrieben und versteigert. Große Anbieter wie Vodafone oder Telefonica nehmen an vielen dieser Auktionen teil. Käme ein Rückbau der bereits installierten Huawei-Technik hinzu, wäre das finanziell kaum zu stemmen. Alleine in Deutschland müsste gut jeder zweite Sendemast ausgewechselt werden. Es geht also um Milliarden.

Ausgerechnet die Briten, von deren Votum nun so viel abhängt, halfen Huawei einst, in Europa Fuß zu fassen. 2005 wollte die British Telecom ihr hoffnungslos veraltetes Netz aufrüsten. Die etablierten Hersteller winkten ab - viel Arbeit, wenig Profit. Eine kleine Firma aus Südchina erklärte sich bereit, das Milliarden-Projekt zu stemmen. Genau einen einzigen Auftrag außerhalb Chinas hatte Huawei zuvor gemeistert. In Windeseile wurden Hunderte Ingenieure eingeflogen. Bis tief in die Nacht schufteten sie jeden Tag. Wenige Jahre später ist aus der unbekannten Firma der Weltmarktführer geworden und Zankapfel im Streit zwischen China und den Vereinigten Staaten. Über kein Unternehmen weltweit wird im Moment mehr diskutiert. Staats- und Parteichef Xi Jinping persönlich wird während seiner Europareise für Huawei werben. Beim EU-Gipfel in Brüssel werden die Staats- und Regierungschefs darüber verhandeln, wie man das Unternehmen einhegen kann. Reicht dazu die britische Lösung?

Als erstes Land verpflichtete Großbritannien Huawei, seine Quellcodes offenzulegen. Überprüft wird die Software in einem Forschungslabor vor den Toren Londons, das Huawei gemeinsam mit dem Geheimdienst GCHQ betreibt. Einmal im Jahr erscheint ein Report. 2018 fiel dieser kritisch aus. Die Regierung monierte nachlässige Ingenieurarbeit und etwaige Sicherheitslücken in der Lieferkette. Deutschland folgte dem Vorbild und richtete in Bonn ein eigenes Zentrum ein, in dem Mitarbeiter des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Huawei-Produkte analysieren.

Im März erhöhte Berlin dann die Sicherheitsanforderungen, und zwar für alle Anbieter. Ein neuer Katalog muss künftig eingehalten werden, eine Art Beweislastumkehr, die Netzbetreiber müssen zeigen, dass Huawei-Technik vertrauenswürdig ist. So bleibt der Bundesregierung Spielraum "Ja" oder "Nein" zu sagen. Auf jeden Fall will man alles vermeiden, was wie ein Misstrauensvotum gegen China aussieht und die Führung in Peking zu wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen bewegen könnte. Entsprechend vorsichtig formuliert Bundeskanzlerin Angela Merkel. Man dürfe nicht "blauäugig" sein, müsse aber "jedem eine Chance geben", sagt sie.

USA drohen bereits mit Einschränkung der Geheimdienstzusammenarbeit

Auch das ist eine Kopie des britischen Vorgehens. Warum es jetzt kommt, ist allerdings verwunderlich. Spätestens 2011 warnte der BND bereits erstmals, "dass bei einem Einsatz von Komponenten der Firma Huawei in sensitiven Bereichen deutscher Behörden und Unternehmen die Risiken einer nachrichtendienstlichen Ausspähung steigen". Die Mahnung aus Pullach erreichte auch das Bundesinnenministerium, Huawei wurde daraufhin ein Platz in der für "Sicherheit im Internet" zuständigen Arbeitsgruppe des Nationalen IT-Gipfels verwehrt, um den die Firma gebeten hatte. Auch das Regierungsnetz musste ohne chinesische Bauteile auskommen.

Am liebsten wäre der Bundesregierung, wenn jetzt alle auf den deutschen Weg einschwenkten, eine europäische Lösung sei "wünschenswert", sagte Merkel in dieser Woche. Emissäre aus Berlin werben überall in Europa dafür. Dass es so kommt, glaubt aber kaum jemand, US-Botschafter Richard Grenell machte gleich am Tag nach der Verkündung der neuen deutschen Sicherheitsstandards deutlich, was die Vereinigten Staaten davon halten. In einem Brief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) drohte er mit einer empfindlichen Einschränkung der Geheimdienstzusammenarbeit, wenn Deutschland weiter auf Huawei setzte.

Italien soll nun Brückenkopf der neuen Seidenstraße werden

In Berlin wird nun befürchtet, dass Europa auch in dieser Frage wieder auseinanderfällt. Die einen könnten Huawei ausschließen, um die USA nicht zu verärgern. Die anderen den Zugang gewähren, um China nicht zu verprellen. Beispiel Italien, Xis erste Station in Europa. Die Regierung in Rom möchte Beweise für Hintertüren und Spähattacken von den Amerikanern sehen, ansonsten sei man nicht bereit, Huawei auszuschließen. Deutlich entschiedener ist man hingegen in Polen und der Tschechischen Republik. In Warschau wurde Mitte Januar ein Huawei-Mitarbeiter festgenommen. Der Vorwurf: Spionage. Der Mann hatte früher für die chinesische Botschaft gearbeitet und danach bei Huawei angeheuert. Das Unternehmen trennte sich umgehend von dem Mitarbeiter, das Misstrauen ist dennoch gewaltig, zumal Polen militärisch auf den Schutz der USA angewiesen ist. Ein Huawei-Ausschluss werde Polen 8,5 Milliarden Euro kosten, rechnete der chinesische Botschafter in der heimischen Parteipresse genüsslich vor.

Einen Schritt weiter sind die Behörden in Prag. Anfang Februar wurde Huawei von der Ausschreibung für die nationale Steuersoftware ausgeschlossen. Für die chinesische Regierung kam das überraschend. Peking hatte Präsident Miloš Zeman wie kaum einen anderen Staatsmann hofiert. Tschechien sollte der Brückenkopf der neuen Seidenstraße sein, Xis Lieblingsprojekt. Das scheint nun Italien zu werden.

Die größte Sorge der Europäer heißt jedoch Donald Trump. In Berliner Regierungskreisen wird das Szenario durchgespielt, dass der amerikanische Präsident auch die Huawei-Frage mit Xi klärt, so wie er schon vergangenes Jahr im Alleingang das amerikanische Embargo für den zweiten großen chinesischen Netzwerkausrüster ZTE rückgängig gemacht hatte. Zuvor hatte die Produktion von ZTE still gestanden, weil das US-Handelsministerium wegen Verstößen gegen Iran-Sanktionen den Verkauf amerikanischer Chips an ZTE untersagt hatte. Trump hebelte das Verbot dann aus. Einfach so.

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