Es war nicht unbedingt der allerbeste Freund, den US-Präsident Barack Obama am Mittwoch in seinem Vorgarten empfing und gerade deshalb wurde der Besuch von Chinas Staatspräsident Hu Jintao schon im Vorfeld bis ins Detail analysiert und vielerlei diskutiert: über das Verhältnis der Weltmächte und über Handelsbilanzen, über Währungspolitik und Menschenrechte. Der Staatsbesuch in Bildern. Es war der erste offizielle Besuch eines chinesischen Staatsoberhaupts seit 13 Jahren und die Protokollabteilung des Weißen Hauses fuhr das volle Programm. Das lockte viele geladene Gäste auf den berühmten Rasen, den South Lawn. In der einen Hand die Kamera, in der anderen das Fähnchen - das amerikanische oder das chinesische.
Zu dem diplomatischen Spektakel gehörte neben 21 Salutschüssen und militärischen Ehrenformationen auch die Darbietung des ehrwürdigen Armeeorchesters United States Army Old Guard Fife and Drum Corp. Das aufwändige Begrüßungszeremoniell ließ keinen Zweifel daran, welche Bedeutung die US-Regierung Hus Besuch beimaß.
Chinas Exporte in die USA boomen: Im vergangenen Jahr erzielte die Volksrepublik einen Handelsüberschuss von 151 Milliarden Dollar. Das wurmt Washington. Zwar wachsen auch die Importe aus den Vereinigten Staaten stetig, doch eine künstlich niedrig gehaltene Währung macht es US-Unternehmen schwer, in China weiter zu expandieren. Differenzen gibt es auch um die Wertschätzung geistigen Eigentums. Doch all die Probleme der wirtschaftlichen Zwangsehe schienen vergessen, als feierlich die Nationalhymnen erklangen.
Schon in zehn Jahren könnte China der wichtigste Handelspartner der USA sein, schätzt US-Finanzminister Timothy Geithner. Wenn die Exporte stabil weiter wachsen. Um das sicherzustellen, waren die Wirtschaftsbosse der USA nach Washington gekommen: Ordentlich aufgereiht saßen unter anderem Boeing-Chef Jim McNerney (2. v. re.) und Jeff Immelt (re.), CEO des Energieriesen General Electric mit Präsident Hu (2. v. li.) und Lou Jiwei (li.) von der China Investment Corporation zusammen. Auch die Spitzen von Microsoft und Goldman-Sachs waren herbeigeeilt. Sie hatten sich nicht zu viel versprochen: Für 45 Milliarden Dollar sollen fortan gemeinsame Geschäfte gemacht werden. Allein 19 Milliarden Dollar will China für 200 Boeing-Flugzeuge ausgeben. Solche fruchtbaren Wirtschaftsbeziehungen, könnte man meinen, lassen der Politik wenig Spielraum für andere politische Themen, gerade ...
... wenn es dabei um Heikles wie Chinas Menschenrechtspolitik geht. Während drinnen Milliardenpakete für die Wirtschaft geschnürt wurden, demonstrierten vor dem Weißen Haus Aktivisten gegen den Staatsbesuch. Aktivisten forderten die Unabhängigkeit Tibets, ...
... "Hände weg von Taiwan", ein Ende der Unterdrückung der Uiguren und die Freilassung von Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo. Wie immer, wenn chinesische Politiker in westlichen Demokratien zu Gast sind, wurde auch diesmal gespannt verfolgt, ob und wie die Menschenrechtssituation in China Thema werden würde. Umso mehr, als Obama selbst 2009 jene Auszeichnung zuteilwurde, deren persönliche Annahme Liu im November verwehrt wurde.
In vertraulicher Runde im Allerheiligsten des Weißen Hauses, dem Oval Office, habe er "sehr offen" mit seinem Amtskollegen über das sensible Thema gesprochen, erklärte Obama. Auch Lius Schicksal soll der US-Präsident direkt angesprochen haben. In der Vergangenheit hatte Obama immer wieder die Freilassung des Friedensnobelpreisträgers gefordert. China dagegen reagierte bislang meist brüskiert auf derlei Kritik des Westens. So war es denn auch eine kleine Sensation ...
... als Präsident Hu in der anschließenden Pressekonferenz ein paar deutliche Worte fand: China befinde sich im "entscheidenden Stadium der Reform", sagte Hu. Das Land sei in diesem Zusammenhang noch mit vielen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen konfrontiert", so der Staatspräsident und: "Eine Menge muss noch in China getan werden, was die Menschenrechte betrifft." Eine technische Panne bescherte Hus Worten zusätzliche Aufmerksamkeit: Weil die Simultanübersetzung fehlte, kam es zu einer peinlichen Pause.
Mit seinen ungewohnt offenen Äußerungen und den großen gemeinsamen Investitionsplänen dürfte Hu dem Ziel seines Besuchs schon recht nahe gekommen sein, das nach seinen eigenen Worten darin bestand, "das gegenseitige Vertrauen zu stärken, die Freundschaft zu festigen, die Zusammenarbeit zu vertiefen". Fast eine Viertelmillion Jobs könnten durch die Deals mit China gesichert werden. In den wirtschaftlich angeschlagenen Vereinigten Staaten ist dies eine optimistische innenpolitische Botschaft, ...
... für die sich Obama bei seinem Gast mit einem pompösen Staatsempfang bedankte. Zum Bankett im Weißen Haus begrüßten Michelle und Barack Obama jedoch nicht nur den chinesischen Staatschef.
Auch mit dem Vorstandsvorsitzenden des Software-Riesen Microsoft, Steve Ballmer, gab es nach wenigen Stunden ein Wiedersehen. Während Ballmer und die anderen Wirtschaftsbosse in eleganter Begleitung erschienen, fehlte Hus Frau Liu Yongqing auf den Bildern des Abends.
Es war ein durch und durch amerikanisches Bankett - vom Jazz-Musiker Henry Hancock bis zum warmen Apfelkuchen als Dessert. Die chinesischen Medien nahmen das aufwändige Abendprogramm angetan zur Kenntnis und werteten es als Symbol für die neue politische und wirtschaftliche Machtstellung Chinas.
Die spiegelte sich nicht zuletzt auch in der Tischordnung wider: Michelle Obama saß zur Rechten des chinesischen Ehrengasts, an ihrer Seite wiederum hatte ein Mann Platz genommen, der wie kaum ein zweiter die US-amerikanische Wirtschaftsmacht verkörpert: Muhtar Kent, CEO von Coca Cola.
Doch nicht nur um Wirtschaftsbosse hatte man sich bemüht, die Gästeliste triefte von illustren Namen: Sängerin Barbra Streisand war ebenso gekommen wie der frühere Außenminister Henry Kissinger, Vogue-Chefin Anna Wintour wollte Hu ebenso ihre Aufwartung machen wie Eiskunstläuferin Michelle Kwan.
Auf das offizielle Foto des Abends durfte dann aber nur der Ehrengast höchstselbst. Für Gastgeber Obama dürfte dieser Staatsbesuch äußerst erfolgreich werden, denn es scheint, als ob an die fruchtbare Wirtschaftsrunde von Mittwoch nahtlos angeknüpft werde: Von Washington reisen Hu und seine Entourage weiter nach Chicago. Dort wollen Wirtschaftsvertreter der Länder weitere Deals bekanntgeben.