Süddeutsche Zeitung

Horst Seehofer zu den schwarz-gelben Steuerplänen:"Das war keine Panne - das war Kalkül"

CSU-Chef Seehofer fühlt sich in der Diskussion um die Steuerreform übergangen - und unterstellt den Koalitionspartnern "Kalkül". Für die Präsentation der Pläne habe es zu diesem Zeitpunkt "überhaupt keinen vernünftigen Grund" gegeben. Und das Modell von Finanzminister Schäuble sei lediglich eine "Diskussionsgrundlage, doch ganz sicher nicht die fertige Lösung".

Stefan Braun

Die Präsentation einer Steuerentlastung durch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) endete vergangene Woche für die Koalition mit einem Debakel. CSU-Chef Horst Seehofer war vorab von Angela Merkel und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) über den Plan für eine Pressekonferenz informiert worden, hatte dem aber ausdrücklich widersprochen. Trotzdem ließ das Kanzleramt die Vorstellung der Steuerpläne nicht absagen. Seehofer protestierte daraufhin öffentlich - und ist auch Tage danach noch sauer.

SZ: Herr Seehofer, vergangene Woche haben zwei Minister eine Steuerreform verkündet. Dem haben Sie vorher intern und danach öffentlich widersprochen. Jetzt steckt die Koalition in einer schweren Krise. Was ist passiert?

Seehofer: Das Kanzleramt hat am letzten Donnerstag mit seiner Vorgehensweise bei der Präsentation einer Steuerreform das Verhältnis zwischen den Koalitionspartnern völlig unnötig schwer belastet. Das gehört ganz sicher nicht zu den Kernaufgaben einer Regierung und muss abgestellt werden.

SZ: War das nicht einfach nur eine Kommunikationspanne?

Seehofer: Das war keine Panne. Die Bayern werden das schon schlucken - das war das Kalkül. Und das war grob falsch.

SZ: Hat es einen solchen Vorgang aus Ihrer Sicht in der Vergangenheit schon einmal gegeben?

Seehofer: Nein. Es war ein schwerer Fehler. Es gibt überhaupt keinen vernünftigen Grund, einen Tag vor einem Koalitionsausschuss gegen den erklärten Willen eines Koalitionspartners ein Steuerreformkonzept in der Öffentlichkeit zu präsentieren.

SZ: Was muss jetzt passieren?

Seehofer: Das Management und die öffentliche Kommunikation von Zielen, Themen und Beschlüssen müssen funktionieren.

SZ: Ist das, was passiert ist, reparabel? Oder bestätigt die Krise, dass diese drei Partner nicht zusammenfinden?

Seehofer: Ich lasse mich nur noch überzeugen durch die Realität, also durch das, was künftig passieren wird und wie es passieren wird. Ich lasse mich nicht mehr durch Ankündigungen und Zusagen gewinnen.

SZ: Hauptstreitpunkt in der schwarz-gelben Koalition derzeit ist die Steuerreform. Was für eine Reform können und werden Sie mittragen?

Seehofer: Es muss immer darum gehen, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten, gerade auch, um die Binnenkonjunktur zu stärken. Außerdem müssen wir uns das leisten können, gerade im jetzigen schwierigen Umfeld. Und es muss durchsetzbar sein.

SZ: Das heißt, Sie werden nichts mitmachen, was im Bundesrat scheitern könnte?

Seehofer: Genau. Ich werde nichts machen, bei dem wir im Grunde von Anfang an wissen, dass wir keine Mehrheit haben. Außerdem erst recht nichts, was unsere eigenen CDU-Ministerpräsidenten ablehnen. Die Rede, die ein SPD-Ministerpräsident wie Kurt Beck ansonsten im Bundesrat halten würde, könnte ich jetzt schon formulieren. Er würde auf unsere eigenen Leute zeigen und sagen: Nicht einmal die wollen das.

SZ: Was soll stattdessen passieren?

Seehofer: Wir treffen uns als Koalition am 6. November, und es werden auch unsere Regierungschefs mit dabei sein, um mit ihnen zu klären, was möglich ist und was nicht. Es geht darum, die Wachstumskräfte zu steigern, über Steuern, aber auch über Investitionen in Verkehr und Breitbandnetze. Damit wirklich alle gut vertreten sein werden, haben wir auch beschlossen, die stellvertretenden Ministerpräsidenten einzuladen, sofern sie von der FDP gestellt werden.

SZ: Und was stellen Sie sich vor?

Seehofer: Es gibt jetzt mehrere Modelle, die durchgerechnet und dann mit den unionsgeführten Ländern geprüft werden. Dabei ist eines klar: Das, was Wolfgang Schäuble vorgestellt hat, ist herabgestuft auf ein Diskussionsmodell unter vielen und ganz sicher nicht die fertige Lösung.

SZ: Konfliktstoff birgt nach wie vor die Euro-Rettung. Insbesondere Sie standen jeder Form einer Hebelung zur größeren Wirkung des Euro-Rettungsschirms kritisch gegenüber. Haben Sie Ihre Meinung geändert?

Seehofer: Meine Meinung hat sich bei allen Vorschlägen, die ich bisher kenne, nicht geändert. Eine Zustimmung meinerseits ist deshalb schwer vorstellbar. Alles, was bisher diskutiert wird, erhöht das Haftungsrisiko und das Ausfallrisiko Deutschlands enorm - also die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland wirklich haften und bezahlen muss. Und es untergräbt den Zwang für die Schuldenstaaten, ihre Schulden wirklich entschlossen abzubauen.

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Quelle:
SZ vom 24.10.2011/bero
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