CSU:Der abwesende Seehofer

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"Nur Dabeisitzen und sich an keinem Thema beteiligen, das macht nach 50 Jahren in der Politik doch keinen Sinn" - so begründet Horst Seehofer, warum er den CSU-Vorstand nicht besucht. (Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Als Ehrenvorsitzender darf Horst Seehofer im CSU-Vorstand noch immer mitreden. Nur: Dort lässt er sich nie blicken. Auch die CSU-Landesgruppe besucht er fast nie. Das sorgt für Unmut in der Partei.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es waren mal wieder schöne Bilder, das können sie ja in der CSU: Markus Söder und Alexander Dobrindt über den Dächern von Berlin - im Hintergrund der Fernsehturm. Sogar das Wetter spielte mit. Der Himmel war fast so blau wie das große CSU-Logo, das die Partei ins Bild gerückt hat. Vergangene Woche sind die CSU-Bundestagsabgeordneten im Berliner Ewerk zu ihrer Sommerklausur zusammengekommen. Und bevor das Treffen losging, stiegen Söder und Dobrindt für ein Statement auf die Dachterrasse des Veranstaltungszentrums. Es waren die ersten Bilder von vielen, die an diesem Tag gemacht wurden. Vom CSU-Vorsitzenden und dem Landesgruppenchef, von den Bundesministern Gerd Müller und Andreas Scheuer, von Staatsministerin Dorothee Bär. Einer ist jedoch auf keinem der Fotos zu sehen: Horst Seehofer. Denn der Bundesinnenminister hat mal wieder ein Treffen seiner Parteifreunde geschwänzt.

Seehofer ist seit Januar 2019 nicht mehr CSU-Chef. Seitdem hat er an keiner einzigen Vorstandssitzung seiner Partei teilgenommen - dabei ist er als Ehrenvorsitzender Mitglied des Vorstands. Die beiden anderen Ehrenvorsitzenden halten das anders: Edmund Stoiber kommt fast immer, Theo Waigel immer mal wieder. Auch an den Sitzungen der CSU-Landesgruppe im Bundestag hat Seehofer kein Interesse, er hat in der ganzen Zeit nur eine einzige besucht. Und bei den Treffen der Unionsfraktion fehlt er ebenfalls so gut wie immer. Seehofer ist zwar kein Abgeordneter, aber als Minister ist er laut Arbeitsordnung der Fraktion zu jeder Sitzung eingeladen. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat auch kein Bundestagsmandat, kommt aber trotzdem so oft es geht in die Fraktion.

Manch Christsozialer ist genervt, andere sind enttäuscht, wieder andere nur noch fatalistisch

Wer in diesen Tagen mit CSU-Abgeordneten über die erstaunliche Distanz Seehofers zu seiner Partei spricht, hört unterschiedliche Reaktionen. Liebevoll ist jedoch keine davon. Die einen sind enttäuscht, andere genervt, wieder andere nur noch fatalistisch. Peter Ramsauer hat Seehofer bereits im vergangenen Jahr zum "Phantom" erklärt, weil er "nie sichtbar" sei. Der Ex-Verkehrsminister hat zwar seine eigene Geschichte mit Seehofer - er verlor sein Ministerium, weil Seehofer sich 2013 für Dobrindt als neuen Ressortchef entschied. Aber der Unmut, der Ramsauer schon im vergangenen Jahr umgetrieben hat, ist inzwischen bei vielen CSU-Abgeordneten zu hören. Seehofer verantwortet ja nicht das unwichtigste alle Ministerien.

Seehofer selbst kann die ganze Aufregung nicht verstehen. "Als Parteichef war ich für die ganze Breite der Themen zuständig, jetzt bin ich es nur noch für meine - und ich will mich nicht in andere Themen einmischen", sagt er der Süddeutschen Zeitung. Außerdem würde "doch sofort nur danach gesucht werden, ob es irgendeine Differenz zwischen mir und Markus Söder oder Angela Merkel gibt". Das wolle er nicht - "und nur dabeisitzen und sich an keinem Thema beteiligen, das macht nach 50 Jahren in der Politik doch keinen Sinn".

Früher, sagt Seehofer, da habe auch er "mehr Wert auf die öffentliche Darstellung gelegt, aber das brauche ich nicht mehr". Entscheidend seien doch die Ergebnisse - da freue es ihn, "dass die Union nicht mehr im 20-Prozent-Turm steckt, sondern klar über 35 Prozent". Zwischen Söder, Dobrindt und ihm laufe jedenfalls alles "völlig konfliktfrei", die Partei sei mit seiner "Zurückhaltung bisher sehr gut gefahren". Denn er handele "nach einem einfachen Grundsatz: Ich komme nur noch, wenn eines meiner Themen auf der Tagesordnung steht - und dass meine Themen so selten auf der Tagesordnung stehen, zeigt doch nur, dass sie nicht strittig sind und es kein Problem mit dem Bundesinnenminister gibt". Doch genau daran zweifeln viele in der CSU. Seehofer ist Chef eines riesigen Ministeriums. Es stehen eigentlich ständig Themen auf der Agenda, die in seinen Bereich fallen: Migration, Innere Sicherheit, Wohnungsbau, der Zustand der Polizei und vieles mehr.

In der CSU-Zentrale verweisen sie darauf, dass glücklicherweise auch Seehofers parlamentarischer Staatssekretär Stephan Mayer Mitglied im CSU-Vorstand sei - man könne die Themen deshalb mit ihm besprechen. Doch zufrieden ist kaum einer mit der Situation. Aber warum ändert Söder dann nichts? Der CSU-Chef ist ansonsten ja nicht dafür bekannt, etwas ohne Not schleifen zu lassen.

In Söders Umfeld heißt es, der Parteichef sei in keiner einfachen Position. Wegen der heftigen Auseinandersetzungen während des Nachfolgekampfs um den CSU-Vorsitz könnte jede Kritik Söders an Seehofer als "Nachkarteln" wahrgenommen werden. Derlei komme aber nicht gut an, auch weil Seehofer die Partei zehn Jahre und durchaus erfolgreich geführt habe. Außerdem gebe es Mittel und Wege für Seehofer und Söder, auch außerhalb von Vorstandssitzungen Dinge zu bereden. In der vergangenen Woche sollen sich die beiden zum Beispiel zu einem Frühstück getroffen haben. Davon gibt es allerdings keine Bilder - was auch wieder bezeichnend ist.

© SZ vom 10.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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