Süddeutsche Zeitung

Horst Schlämmer stellt Wahlprogramm vor:Hasenpower für Deutschland

Horst Schlämmer, Hape Kerkelings Kunstfigur, "kandidiert" - und etwa 200 Journalisten lassen sich die Vorstellung des "Wahlprogramms" nicht entgehen. Ein Andrang, wie ihn der reale Polit-Betrieb selten erlebt.

Johann Osel

"Wir sind konservativ, liberal und links. Also sparen Sie sich bitte die kritischen Nachfragen" - es geht zu wie bei einer realen Politiker-Pressekonferenz.

Der Mann auf dem Podium hat ein Ziel: Er will am 27. September Bundeskanzler werden. Seine Partei hat leider nur ein Sechs-Punkte-Programm, dafür ist seine Person umso schillernder. Mit einer ranzigen Vokuhila-Matte, der antiquierten Kasten-Brille, einem ungepflegten Schnurrbart, vorstehenden Zähnen und einem beträchtlichen Bierbauch steht Horst Schlämmer den Journalisten Rede und Antwort.

Nach jedem Satz oder auch mal mittendrin grunzt er laut und deftig oder hustet - man hat beinahe Angst, dass einen jeden Moment aus dem Raucherhusten ein saftiger Batzen treffen könnte.

Horst Schlämmer, die schrullige Kunstfigur des Schauspielers, Moderators und Komikers Hape Kerkeling, war bislang nur als stellvertretender Chefredakteur des fiktiven Grevenbroicher Tagblatts bekannt. Nun will er auch in der Politik anpacken, er will ganz nach oben, als Herausforderer von Kanzlerin Angela Merkel.

Die ganze Angelegenheit ist natürlich ein gigantischer Marketing-Gag. Es gilt die Werbetrommel zu rühren für Kerkelings Film "Horst Schlämmer - Isch kandidiere!", der am 20. August in den deutschen Kinos anläuft und eben jene kometenhaften Politikkarriere Schlämmers in Szene setzt.

Doch vielleicht offenbart die Veranstaltung in einem Berliner Hotel auch etwas über das reale Geschehen in der Hauptstadt. Vielleicht hat der wahre Wahlkampf jetzt schon seinen Reiz verloren, vielleicht sind Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier und Co. zu langweilig - denn zu Schlämmers Vorstellung seines "Wahlprogramms" kam ein Journalistentross von etwa 200 Vertretern zusammen. Klamauk zieht auch im Wahlkampf, solche Dimensionen erlebt der echte Politikbetrieb wohl eher selten.

Die Handlung des Films ist schnell erzählt: Sein Job beim Grevenbroicher Tagblatt ist Horst Schlämmer nicht mehr genug. Die neue Herausforderung wartet schon: Er gründet die HSP, die "Horst-Schlämmer-Partei".

Unter dem Motto "Yes Weekend" tritt er in einem TV-Duell Angela Merkel gegenüber, um vehement für seine Ziele zu streiten: Die Einführung des Bundeshasen als Wappentier ("Hasenpower für Deutschland"), die Erhebung seiner Heimatstadt Grevenbroich zur Hauptstadt, ab der Geburt ein bedingungsloses Grundeinkommen von 2500 Euro, Sonnenbank gratis für alle und Schönheitsoperationen auf Kasse.

Im Film von Regisseur Angelo Colagrossi spielt Kerkeling neben Schlämmer auch die Rollen von Angela Merkel, CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla und Noch-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt.

Mit dabei sind etwa als First Lady in spe Alexandra Kamp oder der Comedian Simon Gosejohann als Wahlkampf-Praktikant, Gastauftritte haben unter anderem Bully Herbig, der Rapper Bushido, Sänger Jürgen Drews und Politiker wie Claudia Roth (Grüne) oder Jürgen Rüttgers (CDU). Kerkeling hatte sie dafür mit Kamerabegleitung "überfallen". Eine Methode, die sich unter Comedians durchgesetzt zu haben scheint: Bekannt ist sie bei Sacha Baron Cohen, der als Borat und als Brüno überforderte Menschen mit Kamera und Mikrofon konfrontiert. Oder bei Christian Ulmen, der als Uwe Wöllner in Deutschlands Fußgängerzonen sein Unwesen treibt.

Dass das Ganze, was Schlämmer so treibt, nur ein Film ist, davon ist bei der Pressekonferenz freilich wenig zu spüren. Gönnerhaft gibt Schlämmer den Gastgeber für die Journalistenmeute, wer eine Frage stellt, muss sich ordnungsgemäß mit Namen und Medium vorstellen.

Kerkeling ist dabei in seinem Element: "ARD? Das hätte ich mir ganz anders vorgestellt", ruft er dem Vertreter des Öffentlich-Rechtlichen entgegen; der elfjährigen Reporterin eines Kinder-TV-Magazins verheißt er eine Schauspielerkarriere, wenn sie volljährig ist; dem Journalisten der Bunten legt er farbenfrohere Kleidung ans Herz, vor der Boulevardpresse spielt er den Verschlossenen ("Wenn solche Wühlmäuse wir ihr unterwegs sind").

Beinahe jeder Satz ist eine Pointe - und sogar Simon Gosejohann, der auf dem Podium eigentlich den Praktikanten aus dem Film spielen sollte, platzt es zwischendurch heraus vor Lachen.

Frage für Frage klappert Schlämmer den Stand der Dinge ab. Gesundheitliche Probleme? Die gebe es, sagt er und leitet jedes Zipperlein mit dem Satz "Ich habe ..." und dem betreffenden Körperteil ein - "Ich habe Rücken. Ich habe Kreislauf. Ich habe Füße." Mehr als vier Jahre halte er nicht durch, doch in dieser Zeit sei viel zu bewegen.

"Ich verspreche, dass ich vier Millionen Arbeitsplätze nicht schaffen werde", prophezeit Schlämmer in Anspielung auf den Deutschland-Plan des SPD-Kanzlerkandidaten Steinmeier. Und noch ganz wichtig: "Schweinegrippe - mit uns nicht. Da gibt es ein klares Nein." Als Koalitionspartner schwebt ihm übrigens eine "Fango-Koalition" mit den Grünen vor.

Ein grundlegender Systemwechsel wird sich unter Kanzler Schlämmer allerdings kaum ereignen. Als der junge Journalist einer schwulen Zeitschrift wissen will, wie er es denn mit den Rechten von Homosexuellen halten werde, stellt Schlämmer klar: "Jeder kann machen, was er will. Das Land ist und bleibt eine Demographie." Na ja, Demographie und Demokratie kann auch ein Horst Schlämmer mal verwechseln.

Das mit der Demokratie haben übrigens die Vertreter der Satire-Partei "Die Partei", die von Redakteuren des Satire-Magazins Titanic gegründet wurde und 2005 bei der Bundestagswahl dabei war, sehr wörtlich genommen.

Vor zwei Wochen waren die Satiriker nicht vom Bundeswahlleiter für den 27. September zugelassen worden - wegen "fehlender Ernsthaftigkeit". Den Rummel des Schlämmer-Termins nutzte "Die Partei" um den früheren Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn nun und sorgte für einen kleinen Eklat.

Sie stürmten vor dem Termin das Podium, Sonneborn ging per Mikrofon auf das Wahlprogramm seiner Partei ein. Ihm wurde der Saft abgedreht, das Licht im Saal ausgeschaltet, Sicherheitsmitarbeiter baten die Satiriker hinaus. Das war ausnahmsweise echter Wahlkampf.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.166902
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.