Süddeutsche Zeitung

Rechtsextremismus:Was tun mit einem Unbelehrbaren?

Der Hitler-Verehrer und Holocaustleugner Horst Mahler kommt bald aus der Haft frei. Staatsanwälte fordern, er solle künftige Texte vorab der Polizei melden. Ein heikler Antrag.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Es gibt zahlreiche bizarre Superlative im Leben des Horst Mahler, allein schon sein Wechsel vom Linksterrorismus der RAF ins rechtsextremistische Lager war ein atemberaubender Move. Auch der Starrsinn, mit dem er immer und immer wieder den Hitlergruß zeigte und den Holocaust leugnete, dürfte ohne Beispiel sein. Ersttäter bekommen für Volksverhetzung allenfalls eine Bewährungsstrafe, aber bei Mahler wuchsen die Strafen exponentiell. Seit 2009 sitzt er nun wegen Volksverhetzung in zahllosen Fällen in Haft. Abgesehen von einem Klinikaufenthalt und einem irren Fluchtversuch nach Ungarn - aber das ist eine andere Geschichte.

Doch auch eine lange Haft geht irgendwann zu Ende. In der kommenden Woche, am 27. Oktober, soll Horst Mahler, inzwischen 84 Jahre alt, aus der JVA Brandenburg an der Havel entlassen werden. Und damit rückt auch die Frage näher: Was tun mit einem Unbelehrbaren?

Die Staatsanwaltschaft München II hat inzwischen Führungsaufsicht gegen Mahler beantragt, was ein Instrument aus dem Strafgesetzbuch ist. Vor Kurzem fand vor dem Landgericht Potsdam die Anhörung statt, eine Entscheidung folgt in den nächsten Tagen. Der Inhalt des Antrags ist durchaus interessant. Die bayerischen Staatsanwälte wollen Mahler die Veröffentlichung von Text- und Sprachbeiträgen verbieten lassen - es sei denn, er reicht den Text vorher beim Landeskriminalamt ein. Kein echtes Verbot, nur eine Anzeigepflicht, versichert die Staatsanwaltschaft. Dennoch durchzuckt einen kurz der Gedanke: Ist das Zensur?

Wer nun glaubt, Führungsaufsicht könne eigentlich nicht mehr als Kuchenessen mit Sozialarbeitern bedeuten, der kann sich mit einem Blick ins Gesetz vom Gegenteil überzeugen. Führungsaufsicht ist der lange Arm des Staates und gewährt Zugriff auf Straftäter, die ihre Haft abgesessen haben. Gefährlichen Rasern kann der Besitz schneller Autos verboten werden, Missbrauchstäter werden aus dem Umkreis von Schulen und Kitas verbannt, auch Alkoholverbote sind möglich und mit Urinproben kontrollierbar.

Meinungsfreiheit gilt auch für Extremisten

Hinzu kommen Meldepflichten bei der Polizei oder die Anordnung, Kontakt zu einem Psychotherapeuten aufzunehmen. Und natürlich darf auch das mobile Paradeinstrument der Freiheitsbeschränkung verordnet werden, die elektronische Fußfessel. Dies kann bis zu fünf Jahre lang dauern, auf einen Verstoß stehen bis zu drei Jahre Haft.

Trotzdem ist so eine Weisung heikel, Meinungsfreiheit gilt auch für Extremisten. Das Bundesverfassungsgericht hat vor zehn Jahren beanstandet, dass einem entlassenen Rechtsterroristen pauschal die "Verbreitung rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts" verboten werden sollte. Jemanden wegen seiner politischen Überzeugungen komplett aus dem öffentlichen Diskurs zu nehmen, sei unverhältnismäßig, schrieb das Gericht.

Also doch kein Maulkorb für Horst Mahler? Karlsruhe schrieb damals auch: Völlig ausgeschlossen ist so ein Verbot nicht. Es komme immer auf eine Abwägung an - und da falle der "Grad der Wahrscheinlichkeit drohender Rechtsgutverletzungen" ins Gewicht. Der dürfte bei Mahler etwa 99 Prozent betragen; Hoffnung auf Altersmilde hat niemand.

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