Hongkong:Vorsichtige Solidarität

Aktivisten machen die Bundesregierung nach dem Brüsseler Maßnahmepaket gegen China dafür verantwortlich, dass die EU keine härtere Haltung vertritt.

Hongkong lässt Protest-Anführer frei

Juraprofessor Benny Tai wurde gefeuert aufgrund der Sicherheitsgesetze. Er gehört der Demokratiebewegung an.

(Foto: Vincent Yu/picture alliance/dpa)

Im Streit über Hongkong hat China der Europäischen Union "Einmischung in innere Angelegenheiten" und "Verstoß gegen die Grundlagen internationalen Rechts" vorgeworfen. Der Sprecher des Außenministeriums, Wang Wenbin, kritisierte am Mittwoch das Maßnahmenpaket, das die EU-Staaten als Reaktion auf das neue Staatssicherheitsgesetz in der chinesischen Sonderverwaltungszone am Dienstagabend beschlossen hatten. Da die EU vorgebe, "sich um Hongkong zu sorgen, und hofft, Wohlstand und Stabilität zu sehen, sollte sie mit konkreten Taten in diese Richtung arbeiten, anstatt einseitig sogenannte Gegenmaßnahmen zu ergreifen, die Hongkongs Stabilität und Wohlstand beinträchtigen", forderte Wang.

Die 27 EU-Staaten hatten sich unter anderem darauf geeinigt, Exporte von Technologie und Gütern weiter zu beschränken, die zur Niederschlagung von Protesten oder zur Überwachung von Kommunikation genutzt werden können. Zugleich wollen die EU-Staaten zusätzliche Möglichkeiten zur Unterstützung der Zivilgesellschaft prüfen. So könnte es mehr Stipendien für Studenten oder einen einfacheren Schutz für Aktivisten geben, die politisch verfolgt werden. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sprach von einem "Zeichen der Solidarität" und forderte, China müsse seine völkerrechtlichen Verpflichtungen einhalten, die aus der Chinesisch-britischen gemeinsamen Erklärung von 1984 und dem Grundgesetz von Hongkong hervorgehen. Peking hatte 1997 bei der Übernahme der früheren britischen Kronkolonie für 50 Jahre das Prinzip "ein Land, zwei Systeme" garantiert, das Hongkong weitgehende Autonomie gewährt. In der Sonderverwaltungszone gibt es seit Monaten Proteste gegen den Einfluss Pekings in der Stadt.

Allerdings bleiben die von der EU beschlossenen Schritte deutlich hinter jenen der USA, aber auch Großbritanniens und anderer Staaten zurück, die etwa Auslieferungsabkommen mit Hongkong ausgesetzt haben. Von Wirtschaftssanktionen oder Strafen gegen Funktionäre der Kommunistischen Partei ist in der EU bislang nicht die Rede. Auch bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, ob und wie sie die beschlossenen Maßnahmen umsetzen. Die USA haben Vermögen chinesischer Kader eingefroren und Visabeschränkungen erlassen. Aktivisten machen auch Berlin dafür verantwortlich, dass die EU keine härtere Haltung vertritt. Maas hatte aber in Aussicht gestellt, das Auslieferungsabkommen mit Hongkong notfalls auch ohne eine gemeinsame Position der EU auszusetzen.

Aktivisten machen auch Berlin dafür verantwortlich, dass die EU keine härtere Haltung vertritt

Eine Eskalation der Auseinandersetzung zeichnet sich bereits ab. Die Regierung in Hongkong erwägt offenbar, die für den 6. September geplante Parlamentswahl um ein Jahr zu verschieben, wie der öffentlich-rechtliche Sender Radio Television Hong Kong am Mittwoch ohne konkrete Angabe von Quellen oder Details berichtete. Grund sei offiziell die Furcht vor einer neuerlichen Ausbreitung des Coronavirus. Hongkong meldete am Mittwoch 118 Neuinfektionen, 113 davon durch lokale Ansteckung. Die Regierung verschärfte drastisch die Beschränkungen des öffentlichen Lebens, verbot Restaurantbesuche und Versammlungen von mehr als zwei Personen. Am Dienstag waren 106 neue Fälle registriert worden, im Zeitraum von Ende Januar dagegen insgesamt nur etwa 3000.

Die mögliche Verschiebung sehen Aktivisten dennoch als Versuch der Regierung von Carrie Lam, die Chancen der prodemokratischen Opposition zu schmälern, im Stadtparlament eine historische Mehrheit zu erringen. Angesichts des umstrittenen Sicherheitsgesetzes haben die Demokratie-Aktivisten stark an Zulauf gewonnen. Jüngst hatten sich mehr als 600 000 Bürger an Vorwahlen beteiligt. Peking hatte die Abstimmung anschließend für illegal erklärt.

Einer der Organisatoren der Wahl und Anführer der Opposition, Benny Tai, hat am Dienstag auf Grundlage des neuen Sicherheitsgesetzes zudem seinen Job verloren. Die Hongkonger Universität sprach sich dafür aus, den Rechtsprofessor zu entlassen. Tai war auf Bewährung, seit er im April 2019 zu 16 Monaten Haft verurteilt worden war, weil er sich an den als Regenschirm-Bewegung bekannt gewordenen regierungskritischen Protesten an führender Stelle beteiligt hatte.

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