Hongkong:Unverhüllt

Die Regierungschefin verbietet bei Protesten Gesichtsmasken - und greift dabei auf ein Notstandsgesetz aus britischen Kolonialzeiten zurück.

Von Lea Deuber, Peking

Proteste in Hongkong

Wer gegen das Masken-Verbot verstößt, dem droht bis zu ein Jahr Gefängnis.

(Foto: dpa/AP/Vincent Thian)

Hongkongs Regierung greift durch und verbietet von diesem Samstag an das Tragen von Gesichtsmasken bei Versammlungen. Dafür nutzt die Regierung ein Notstandsgesetz, das noch aus der britischen Kolonialzeit stammt. Ein Verstoß wird mit bis zu einem Jahr Gefängnis und Strafzahlungen von bis zu 3000 Euro geahndet. "Die öffentliche Ordnung ist in einem gefährlichen Zustand", sagte die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam zur Begründung am Freitag. Obwohl sie das Notstandsgesetz bemühen musste, betonte sie: "Das bedeutet nicht, dass Hongkong im Notstand ist." Auch werde nicht formell der Notstand in der chinesischen Sonderverwaltungszone ausgerufen. Man könne aber nicht erlauben, dass die Situation immer schlimmer werde. Mit dem Gesetz solle der "Frieden" zurück in die Stadt kehren, sagte Lam.

Die Polizei kann künftig auch jede Person in der Öffentlichkeit bei hinreichendem Verdacht auffordern, zur Identifizierung einen Gesichtsschutz abzulegen. Wer dem nicht folgt, muss mit Strafen von bis zu sechs Monaten Haft rechnen. Mit der Entscheidung auf Grundlage des Notstandsgesetzes umgeht die Regierung die sonst notwendigen Beratungen im Parlament, das erst Mitte des Monats wieder zusammentreten soll.

Am Freitag kamen nach der Ankündigung bei spontanen Versammlungen Zehntausende Menschen zusammen, um gegen die Entscheidung zu protestieren. Viele Demonstranten trugen dabei auch Gesichtsmasken. In der Innenstadt kletterten Demonstranten unter dem Jubel hunderter Zuschauer auf ein Gebäude, um von dort ein Plakat zur Feier des 70. Jahrestages der Volksrepublik herunterzuholen, das sie später verbrannten. Ein junger Mann wurde nach Medienberichten bei den Tumulten angeschossen und verletzt. Pro-demokratische Organisationen verurteilten die Entscheidung der Regierung und sprachen von einem Verstoß gegen das Hongkonger Basic Law, in dem die Grundrechte der chinesischen Sonderverwaltungszone geregelt sind. Das Gesetz "für Notfälle und bei öffentlicher Gefahr" wurde 1922 von den Briten in der Stadt erlassen und erst zweimal angewandt. Das erste Mal im selben Jahr, um einen Streik niederzuschlagen. Das zweite Mal 1967, als es Unruhen und Proteste prokommunistischer Kräfte gegen die britische Kolonialherrschaft gab.

Das Gesetz ermöglicht der Regierung noch weitere Notstandsmaßnahmen, "die als notwendig im öffentlichen Interesse betrachtet werden". Genannt werden unter anderem Zensur, erleichterte Festnahmen und Haftstrafen, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahme und die Unterbrechung von Kommunikationsnetzwerken. Am Dienstag waren fast 270 Menschen festgenommen worden. Seit Ausbruch der Proteste sind rund 2000 Menschen vorübergehend verhaftet worden.

Bei den Protestmärschen tragen die meisten Demonstranten in Hongkong einen Mundschutz aus Angst vor Gesichtserkennungstechnologie aus Festlandchina, wo die Behörden diese breitflächig einsetzen. Radikalere Demonstranten tragen zudem auch Gasmasken, um sich bei Zusammenstößen mit der Polizei vor dem Einsatz von Pfefferspray und Tränengas zu schützen.

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