Ein junger Mann kniet auf dem Asphalt. Dutzende in schwarz gekleidete Demonstranten brüllen ihn an, beleidigen ihn. "Drecksbulle", schreien sie. Einige leuchten ihm mit Laserpointern in die Augen. Er reagiert kaum. Hunderte Schaulustige stehen auf einer Fußgängerbrücke und johlen. Der Mann in Zivil soll zur Hongkonger Polizei gehören. Das vermuten zumindest die Demonstranten. Einer stülpt ihm einen Mülleimer über den Kopf und schubst ihn wieder zu Boden. Richtig sei die Aktion nicht, sagt ein Demonstrant leise. Er trägt eine Maske über dem Gesicht und will seinen Namen lieber nicht nennen. Er steht einige Meter entfernt von der Gruppe. Aber stoppen, sagt der Demonstrant, wolle er seine Freunde nicht. Der Mann sei schließlich ein Bulle.
Es sind Szenen wie diese, die vielen Hongkongern von diesem Samstag im Gedächtnis bleiben werden. Bei neuen Demonstrationen kam es in mehreren Stadtteilen zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Auseinandersetzungen waren gewalttätig wie nie. Nahe dem Parlamentssitz gingen Sicherheitskräfte mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. Radikale Aktivisten schleuderten Gegenstände, Steine, Molotowcocktails und legten Feuer an mehreren Stellen in der Stadt. Die Polizei sprühte im Regierungsviertel aus einigen Wasserwerfern auch blaue Farbe auf die Demonstranten, um diese mutmaßlich zu markieren und so später ausfindig machen zu können. In anderen Viertel kamen die Wasserwerfer ohne Farbe zum Einsatz.
Lea Deuber, die China-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, gibt im Video eine Tageszusammenfassung der Ereignisse, sie hat die Demonstrationen in Hongkong beobachtet:
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Die politische Atmosphäre in der chinesischen Sonderverwaltungszone ist aufgeheizt wie nie. Gezielt ließ die Hongkonger Polizei am Donnerstag und Freitag mehrere führende Mitglieder der Demokratiebewegung sowie Abgeordnete des Parlaments festnehmen. Darunter die oppositionellen Abgeordneten des Legislativrates, Au Nok-hin und Jeremy Tam. Ihnen wird Behinderung der Polizei vorgeworfen. Der Abgeordnete Au soll außerdem einen Polizisten angegriffen haben. Gegen neun prominente Köpfe der Bewegung wurde inzwischen Anklage erhoben. Machtmissbrauch nennt das ein junger Demonstrant am Samstag, der sich dem friedlichen Marsch im Stadtzentrum angeschlossen hat. "Jeder weiß, dass die Vorwürfe nur vorgeschoben sind", sagt er. "Sie wollen uns die Freiheit nehmen." Auch deshalb ist er - wie Zehntausende - trotz Versammlungsverbots am Samstag durch die Hongkonger Innenstadt gezogen.
Begonnen hatte der Tag mit einer Versammlung einiger tausend Menschen in Wan Chai. Demonstranten waren dort einem Aufruf zu einer religiösen Prozession entlang prominenter sakraler Stätten gefolgt. Die Route führte von einem Stadion über das Polizeihauptquartier bis ins Regierungsviertel. In Hongkong brauchen religiöse Versammlungen in der Regel keine Genehmigung. Auch wenn unklar ist, ob es für diesen Marsch gilt. Die Polizei erklärte diesen am Samstag sofort für illegal. Am Nachmittag besetzten Demonstranten dann die Haupt-Verkehrsadern in der Nähe des Regierungsviertels. Die Polizei sprach ebenfalls von einer "ungenehmigten Versammlung" und "illegalen Aktionen".
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Demonstranten: Polizei will "Klima der Angst" schaffen
Die Polizei der chinesischen Sonderverwaltungsregion hatte eine ursprünglich geplante Großdemonstration aus Sicherheitsgründen verboten. Mit dem Protestzug wollte die Demokratiebewegung eigentlich den fünften Jahrestag des Scheiterns der Wahlreform 2014 begehen, die die Zentralregierung in Peking nicht erlauben wollte. Um 8:31 Uhr abends, in Erinnerung an das Datum des Jahrestages, rief die Civil Human Rights Front dazu auf, für die Freiheit Hongkongs zu schreien. Die Organisation hatte den Protestmarsch am Samstag ursprünglich beantragt. Zu genau dieser Uhrzeit waren die Schreie vieler Menschen in den Straßenschluchten der Stadt zu hören.
Die Polizei beteuerte, die Festnahmen der führenden Mitglieder der regierungskritischen Bewegung hätten nichts mit den geplanten neuen Demonstrationen zu tun. Mehrere von ihnen, unter ihnen der bekannte frühere Studentenführer Joshua Wong und seine Mitstreiterin Agnes Chow, kamen kurze Zeit später wieder auf Kaution frei. Demonstranten warfen der Polizei vor, damit ein "Klima der Angst" schaffen zu wollen, um die Menschen von neuen Protesten abhalten zu wollen. Viele Demonstranten sprachen am Samstag von "politischer Verfolgung" durch die Behörden.
Unklar ist, wie es weitergehen soll. Möglicherweise als Warnung berichteten chinesische Staatsmedien, dass das Militär neue paramilitärische Kräfte nach Shenzhen an die Grenze zu Hongkong verlegt habe. In Videoaufnahmen, die von Bürgern stammen sollen, waren Militärwagen zu sehen, die am Samstagmorgen in der Grenzstadt einrollten. Details über Stärke und Zweck der Truppenverlegung wurden nicht genannt. Nach Angaben der Global Times soll es sich um "Spezialkräfte" und Personal der "Wujing" genannten paramilitärischen Elitepolizei handeln.
Proteste in Hongkong:Blaue Farbe gegen Demonstranten
Polizisten setzen Tränengas gegen Demonstranten ein und bewerfen sie mit blauem Wasser - um sie später identifizieren zu können. In einigen Vierteln verschärfen sich die Krawalle.
Mit Material von Nachrichtenagenturen.