Ein Notstandsgesetz aus der britischen Kolonialzeit nutzt die Hongkonger Regierung, um ein Vermummungsverbot durchzusetzen. Damit will sie die Lage in der Stadt wieder unter Kontrolle bringen. Doch das Gegenteil wird passieren. Die Menschen fordern bei ihren Protesten eine Garantie, dass die freiheitlichen Grundrechte, die Peking ihnen einst zugesichert hat, auch in Zukunft noch etwas wert sind. Wenn nun diese Freiheiten mithilfe eines kolonialen Überbleibsels eingeschränkt werden, beweist dies: Die Angst der Bürger Hongkongs war berechtigt. Sie können ihrer Regierung nicht mehr trauen.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Regierung kein Interesse mehr daran hat, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung zu bewahren, die die chinesische Sonderverwaltungszone einst stark gemacht haben. Mit dem Notstandsgesetz wird das Parlament bewusst umgangen. Anstatt die Abgeordneten aus der Sommerpause zu holen, nutzt die Regierung deren Abwesenheit. Das kostet weiter Vertrauen und schürt neue Wut.
Die Demonstranten sind sich nicht in allen Punkten einig. Die wichtigste Forderung fast aller Hongkonger jedoch ist eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt in den vergangenen Wochen. Dass die Regierung darauf nicht eingeht, sondern die Kompetenzen der Einsatzkräfte mit dem neuen Gesetz sogar stärkt, ist ein fatales Signal. Notstandsgesetze stellen jedes rechtsstaatliche System infrage. Es gibt selten einen Weg zurück. Das freiheitliche Hongkong scheint Geschichte zu sein.