Demokratiebewegung:Warum London zu Hongkong hält

August 1 2019 London UK LONDON UK A member of the Hong Kong Chinese community in London

An der Seite Hongkongs: eine Demonstrantin in London.

(Foto: Stephen Chung/ZUMA Press/imago images)

Dass Großbritannien sich im Streit mit China auf die Seite der ehemaligen Kronkolonie stellt, hat nichts mit dem alten Empire zu tun - es geht um Menschenrechte. Doch der Preis für eine klare Haltung könnte hoch sein.

Kommentar von Cathrin Kahlweit, London

Die Briten sind sich lange nicht mehr so einig gewesen: Als ehemalige Kolonialmacht in Hongkong muss sich die Regierung den Chinesen entgegenstellen und ein Zeichen setzen, dass das neue Sicherheitsgesetz eine Zumutung und ein Vertragsbruch ist. Das sieht, laut Umfragen, die Mehrheit der Bevölkerung so, das sieht die Konservative Partei so, und Labour auch. Als Boris Johnson daher im Parlament bestätigte, was Downing Street vor Wochen angekündigt hatte, dass das Königreich seine Visabestimmungen für etwa drei Millionen Bewohner von Hongkong ändern und ihnen letztlich das Recht auf die Staatsbürgerschaft gewähren werde, erntete er einhellige Zustimmung.

London argumentiert, Peking breche mit dem Gesetz die Chinesisch-Britische Erklärung von 1984 und untergrabe das auf mindestens 50 Jahre angelegte Modell: ein Land, zwei Systeme. Das Außenministerium holte das große diplomatische Besteck raus und bestellte den Botschafter ein - das erste Mal, seit die gemeinsame Erklärung vor Jahren unterschrieben worden ist. Peking war not amused.

Die Bereitschaft, drei Millionen Bürgern aus Hongkong, die Anspruch auf einen britischen Überseepass haben, die Staatsbürgerschaft anzubieten, ist vor allem ein symbolischer Akt. China drohte umgehend, man werde die Menschen nicht ausreisen lassen. Großbritannien kann dagegen wenig tun, das räumte auch der Außenminister ein. Und es darf unterstellt werden, dass er das auch mit einer gewissen Erleichterung tat - trotz der starken Geste. Denn es hatte sich Unmut in Teilen der Partei und der Bevölkerung breitgemacht, weil drei Millionen Ausländer ins Land kommen könnten, wo man doch gerade in froher Erwartung des Brexits das Ende der Freizügigkeit feiert.

Trotzdem ist das Angebot gut und richtig. Die Regierung zeigt damit, dass die Anbiederung an Peking wie unter Johnsons Vorvorgänger David Cameron vorbei ist. Eine Konfrontation mit China über Hongkong hat wenig mit dem wiederbelebten Traum von Empire, Commonwealth und nationaler Stärke zu tun, sondern mit einem Bekenntnis zu Menschenrechten. Deshalb muss jetzt auch dringend das Gesetz fertiggestellt und verabschiedet werden, das international als Magnitsky Act bekannt ist und Sanktionen gegen Personen ermöglicht, die Menschenrechte verletzen. Die britische Regierung ist damit seit fast einem Jahr im Verzug.

Der Preis für eine britische Reaktion, die mehr ist als Symbolik und Rhetorik, könnte hoch sein, wenn die Folge ein drohender Handelskrieg ist. Infrage steht beispielsweise die Beteiligung von Huawei am Ausbau des britischen 5G-Netzes. So stark, wie der Druck nicht nur aus den USA, sondern auch aus den Reihen der Tories mittlerweile ist, könnte Johnson demnächst eine Kehrtwende machen müssen.

Aber wird das Königreich angesichts einer drohenden, schweren Rezession und des Brexits auch auf die Milliarden chinesischer Direktinvestitionen verzichten, auf wichtige Technikimporte und auf den riesigen chinesischen Markt? Derzeit will man Washington wegen des ersehnten großen Freihandelsvertrags nicht verprellen, aber der wird nicht so bald kommen. Großbritannien wird China ökonomisch brauchen. Seine Universitäten finanzieren sich in Teilen durch chinesische Studenten. Der große Test, ob London mehr als starke Worte riskiert, kommt erst noch.

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