Hongkong:Demonstranten erhöhen den Druck

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Am Wochenende zogen wieder Zehntausende Menschen durch die Straßen, um ein geplantes Gesetz der Regierung zu verhindern.

Die Proteste in Chinas Sonderverwaltungszone Hongkong gehen weiter: Trotz einer Ankündigung der Regierung, ein umstrittenes Gesetz zur Auslieferung mutmaßlicher Straftäter an China auszusetzen, ist am Sonntag erneut ein großer Protestzug mit Zehntausenden Menschen durch die asiatische Finanzmetropole gezogen. Die weitgehend schwarz gekleideten Demonstranten forderten ein komplettes Aus für das Auslieferungsgesetz.

Menschenmeer: Tausende in schwarz gekleidete Protestanten fluten die Straßen Hongkongs. (Foto: Hectot Retamal/AFP)

Die Hongkonger Regierungschefin Carry Lam gerät immer stärker in Bedrängnis. Am Sonntag entschuldigte sie sich bei den Bürgern der Stadt. Sie wolle "aufrichtig und demütig" Kritik annehmen und Verbesserungen im Dienste der Öffentlichkeit erzielen, hieß es in einer Mitteilung von Lam am Sonntag. Die Regierung habe verstanden, dass viele Menschen aus "Sorge und Liebe" zu Hongkong gegen das Gesetz auf die Straße gegangen seien. Am Donnerstag hatte Lam die Proteste noch als "Aufruhr" bezeichnet.

Vielen Demonstranten, die vom Viktoria Park in der Innenstadt zum Regierungssitz zogen, reicht das jedoch nicht. Sie verlangten den Rücktritt der Regierungschefin. Die 62-Jährige ist seit Juli 2017 im Amt. Sie ist die erste Regierungschefin der chinesischen Sonderverwaltungszone. Den Amtseid hatte ihr Chinas Präsident Xi Jinping abgenommen. Nach Massenprotesten in den vergangenen Tagen kündigte Lam am Samstag an, Beratungen über das Auslieferungsgesetz auszusetzen. Eigentlich sollte die Peking-treue Parlamentsmehrheit das Gesetz am kommenden Donnerstag annehmen. Lam begründete ihre Entscheidung damit, dass es in der Öffentlichkeit immer noch Bedenken und Zweifel an der Gesetzesvorlage gebe. Außerdem müsse wieder Ruhe in die Stadt einziehen. Lam machte am Samstag auch deutlich, dass das Gesetz nicht vom Tisch ist. Es seien jedoch weitere Beratungen notwendig. "Wir haben nicht die Absicht, eine Frist für diese Arbeit festzulegen", sagte sie.

Das Auslieferungsgesetz würde es Hongkongs Behörden erlauben, von China verdächtigte Personen an die Volksrepublik auszuliefern. Kritiker warnen, Chinas Justiz sei nicht unabhängig und diene als Werkzeug der politischen Verfolgung. Auch drohten Folter und Misshandlungen.

"Diese Gesetzesvorlage wird Auswirkungen auf Hongkongs Zukunft haben, und ich bin erst 19 Jahre alt", sagte die Demonstrantin Christy Cheng. Die 23-jährige Maggie Suen, die sich ebenfalls dem Protestmarsch angeschlossen hatte, sagte: "Ich denke, Carrie Lam schuldet uns eine Entschuldigung."

Mit einer weißen Blume gedachten am Sonntag viele Menschen eines Demonstranten, der am Samstag ums Leben gekommen war. Die Polizei teilte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit, es habe sich um eine Selbsttötung gehandelt. Wie lokale Medien berichteten, war der Mann auf ein Baugerüst geklettert, wo er zunächst Banner gegen das Gesetz anbrachte. Nachdem er Stunden auf dem Gerüst ausgeharrt hatte, kletterte er über die Brüstung und stürzte in die Tiefe.

© SZ vom 17.06.2019 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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