Bei erneuten Protesten gegen die Regierung in Hongkong ist es wieder zu schweren Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Dutzende Menschen wurden am Samstag festgenommen. Die Polizei setzte Tränengas, Gummigeschosse, Pfefferspray und einen Wasserwerfer ein. Aktivisten warfen Brandbomben, bauten Straßensperren und attackierten Geschäfte mit vermuteten Beziehungen zu China.
Vor allem im Stadtzentrum, wo viele Großbanken-Zentralen und Luxusmodegeschäfte liegen, kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und schwarz gekleideten maskierten Aktivisten.
Es ist das 22. Wochenende in Folge mit Protesten der Demokratiebewegung, die einen wachsenden Einfluss der Pekinger Regierung in der chinesischen Sonderverwaltungszone befürchtet. Die Ausschreitungen gehören zu den bislang schwersten. Die Atmosphäre in Hongkong ist aufgeheizt, nachdem diese Woche der Anführer der Demokratiebewegung, Joshua Wong, als Kandidat für die Wahl der Bezirksräte disqualifiziert worden war.
Die kommunistische Führung in Peking kündigte an, eine härtere Gangart in Hongkong einzuschlagen. Die Demonstranten fordern freie Wahlen, eine unabhängige Untersuchung von Polizeibrutalität sowie Straffreiheit für die bereits weit mehr als 2000 Festgenommenen.
Nachdem die Polizei eine für Samstag im Victoria Park geplante Demonstration im Vorfeld nicht genehmigt hatte, versammelten sich dort Kandidaten für die Bezirksratswahl spontan zu Wahlkampfauftritten, die nicht eigens genehmigt werden müssen, solange die Gruppen jeweils klein bleiben. Trotzdem löste die Polizei die Versammlungen schon früh auf. Einige Aktivisten errichteten mit Metall-Absperrungen Straßenbarrikaden.
Viele Demonstranten trugen trotz des erst kürzlich erlassenen Verbots Gesichtsmasken. Es wurden die britische und die amerikanische Nationalhymne gesungen, Rufe nach Unabhängigkeit wurden laut. "Menschen von Hongkong widersetzt euch", schallte es aus der Menge. Und: "Die Revolution unserer Zeit."
Die Polizei feuerte hier schon bald Tränengas ab, um die von den Behörden verbotene Kundgebung möglichst rasch aufzulösen, die von den Organisatoren im Vorfeld als "Notruf" für Autonomie für ehemalige britische Kronkolonie bezeichnet worden war.
Demonstranten greifen Büro von Nachrichtenagentur an
Danach zerstreuten sich die Demonstranten in mehrere Richtungen, viele zogen ins Stadtzentrum weiter. Dort eskalierten dann die Lage, während es andernorts zu friedlichen Protesten kam. Demonstranten warfen Brandbomben und Steine vor dem Sitz der britischen Großbank HSBC und der Zentralvertretung der Bank von China. Auch hier feuerte die Polizei mit Tränengas.
Der U-Bahnhof Hongkong Central wurde geschlossen und nicht mehr angefahren, nachdem Demonstranten nach Angaben der Verkehrsbetriebe an einem Eingang Feuer gelegt hatten, wie die South China Morning Post berichtete.
Auch das Büro der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua wurde offenbar erstmals verwüstet. Örtliche Medien zeigten am Samstag Szenen, in denen zertrümmerte Fenster und mit Graffitis besprühte Wände zu sehen waren. "Einige maskierte Randalierer haben Geschäfte zerstört und Brandstiftungen verübt", teilte die Polizei mit. Auch im Hotel- und Einkaufsviertel Tsim She Tsui am Hafen versammelten sich zahlreiche Demonstranten. Zu Protesten kam es zudem auf einer Fähre und vor einer Moschee.
Entzündet hatten sich die Proteste im Juni als Widerstand gegen einen inzwischen zurückgezogenen Gesetzentwurf für eine Auslieferung Beschuldigter an China. Sie richten sich inzwischen aber auch gegen die Regierung. Die Demonstranten kritisieren einen wachsenden Einfluss der Pekinger Zentralregierung und fürchten um allgemeine Freiheiten, die die ehemalige britische Kolonie genießt. China hat mit einem "Eingreifen" in Hongkong gedroht, sollte sich die Lage nicht beruhigen.