Protestierende in Hongkong:"Es geht nicht nur um uns"

A protestor carries a traffic sign during a protest in Central, Hong Kong

Die Demonstrationen in Hongkong wirken auch in Berlin, wo Aktivisten Unterstützung erhoffen.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)
  • Hongkonger Aktivisten bitten bei einem Besuch in Deutschland um Unterstützung.
  • Sie erwarten von Deutschland und der EU, "dass sie keine Polizeiausrüstung mehr nach Hongkong exportieren".

Von Daniel Brössler, Berlin

Nach dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in China haben sich Aktivisten aus Hongkong enttäuscht gezeigt. "Sie hätte mehr tun können", sagte Yik Mo Wong, einer der Organisatoren der jüngsten Massenproteste am Montag in Berlin. Es sei allerdings ein "gutes Zeichen", dass die Bundeskanzlerin die Lage in der Sonderverwaltungszone in Peking angesprochen habe. Die Kanzlerin hatte erklärt, die Volksrepublik müsse sich in Hongkong um eine friedliche Lösung bemühen.

Gewalt gehe zu "99 Prozent" von der Polizei aus, betonte Wong. An sie müsse sich daher die Forderung nach Gewaltlosigkeit richten. "Wir erwarten von Deutschland und der Europäischen Union, dass sie keine Polizeiausrüstung mehr nach Hongkong exportieren", sagte die Aktivistin Glacier Kwong. Die Europäer stünden in der Pflicht, sich für den Schutz der Menschenrechte einzusetzen.

Nach seiner vorübergehenden Festnahme konnte am Montag mit Verspätung auch Joshua Wong, einer der bekanntesten Organisatoren der Hongkonger Proteste, eine geplante Reise nach Deutschland antreten. Er wurde am späten Abend in Berlin erwartet. Am Sonntag war Wong nach eigenen Angaben am Flughafen festgenommen worden, weil ihm der Verstoß gegen Kautionsauflagen vorgeworfen wurde. Diese waren ihm nach einer Inhaftierung im August auferlegt worden, nachdem er mit anderen prominenten Aktivisten zu einer nicht genehmigten Versammlung aufgerufen und daran teilgenommen hatte.

In Berlin waren eine Reihe von politischen Gesprächen des Aktivisten geplant, allerdings keine Begegnung mit Merkel. "Die Bundeskanzlerin plant nicht, Herrn Wong zu treffen", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) ließ sich ein Gespräch mit Wong offen. "Dass wir im Auswärtigen Amt Vertreter der Zivilgesellschaft treffen, ist ein ganz normales Verfahren", sagte ein Sprecher. Es gehe darum, sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Am Mittwoch will Wong in Berlin eine Pressekonferenz geben.

Man sei um mehr Aufmerksamkeit in Deutschland für die Vorgänge in Hongkong bemüht, betonten die Aktivisten. "Es geht nicht nur um uns", sagte Kwong. China weite seinen Einfluss global aus, daher könnten die Vorgänge in der ehemaligen britischen Kronkolonie "ein Lehrbeispiel auch für andere" sein. "China ist kein Land, dem vertraut werden kann", sagte sie.

Aktivisten sprechen von Klima der Angst

Beide Aktivisten waren zusammen mit Joshua Wong von der Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Gyde Jensen (FDP), zu Gesprächen eingeladen worden. Sie stellten klar, dass sie die von Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam angekündigte Rücknahme des umstrittenen Auslieferungsgesetzes nicht als ausreichend erachten, um die Proteste einzustellen. Unabdingbar sei eine unabhängige Aufklärung der Polizeigewalt. Es gebe unzählige Beispiele willkürlicher, exzessiver Gewalt. In dem herrschenden Klima der Angst fürchteten sich Opfer dieser Gewalt aus Furcht vor Verhaftung sogar davor, Krankenhäuser aufzusuchen. Ein von Ärzten geschaffenes Untergrundsystem für medizinische Versorgung sei überlastet. "In Hongkong wollen wir Freiheit", sagte Wong. Wenn die Proteste aufhörten, werde die Regierung nicht einlenken.

Wenn Deutschland sich nicht für ein Ende der Polizeigewalt einsetze, mache es seinen "Job nicht richtig", sagte die FDP-Abgeordnete Jensen. Sie bedauere, dass Merkel auf dem Rückweg von ihrer Chinareise keinen Zwischenstopp in Hongkong eingelegt habe.

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