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Hongkong:Die chinesische Hymne ist nun heilig

Hongkongs Parlament beschließt das umstrittene Gesetz an dem Tag, an dem sich die Niederschlagung der Demokratiebewegung von 1989 jährt.

Hongkongs Parlament hat die Missachtung der chinesischen Nationalhymne unter Strafe gestellt. Der nicht frei gewählte Legislativrat der chinesischen Sonderverwaltungsregion stimmte am Donnerstag nach Protesten der Opposition für das umstrittene Gesetzesvorhaben. Die pekingtreue Mehrheit argumentierte, es sei notwendig, damit die Hongkonger chinesischen Nationalsymbolen ausreichend Respekt entgegenbrächten. Das Gesetz sieht Strafen bis zu drei Jahren Haft und bis zu 50 000 Hongkong Dollar vor, umgerechnet 5750 Euro.

Die Nationalhymne wird unter den sieben Millionen Hongkongern nicht gerne gehört. Wenn sie zu Beginn von Fußballspielen gespielt wurde, waren häufig Buhrufe oder Pfiffe zu hören. Die Protestbewegung hat mit "Glory to Hong Kong" vielmehr ihre eigene Hymne gefunden. Dem Votum war ein monatelanges Tauziehen mit oppositionellen Abgeordneten vorausgegangen, die das Gesetz zu verhindern suchten.

Fast das ganze prodemokratische Lager boykottierte nun die Abstimmung, weil es das Gesetz als Eingriff in die Meinungsfreiheit ansieht. Seine Verabschiedung fiel nun ausgerechnet auf den 31. Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung in China am 4. Juni 1989.

Die Bilder der Proteste in den USA dürften China nicht ungelegen kommen

Zu diesem Anlass ziehen Medien und Offizielle in China Parallelen zu den Protesten in den USA. Der Chefredakteur der englischsprachigen Global Times etwa schrieb auf Twitter, die USA würden dieses Jahr auf besondere Weise an den Jahrestag erinnern: Mit dem Militär in den Städten und einer Polizei, die das Feuer auf die eigene Bevölkerung eröffnet. Damit bewiesen die USA, wie wichtig Pekings Maßnahmen 1989 gewesen seien, um die "öffentliche Ordnung" wiederherzustellen. Die Bilder aus den USA dürften Peking nicht ungelegen kommen, so lässt sich die in Hongkong immer wieder ausufernde Polizeigewalt gegen die Protestbewegung rechtfertigen.

In der Sonderverwaltungszone haben sich unterdessen Hunderte Bürger mit einer Mahnwache über das Verbot hinweggesetzt, an das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens zu erinnern. Wegen der anhaltenden Proteste in Hongkong waren solche Veranstaltungen erstmals seit 30 Jahren verboten worden.

Ein Aktivist kündigte an, am Abend würden trotz Verbots weitere Gedenkveranstaltungen "wie Blumen aufblühen". Laut Medienberichten hat Hongkongs Regierung mehr als 3000 Polizisten zur Durchsetzung des Verbots mobilisiert. Peking plant ein neues "Sicherheitsgesetz", das den Zugriff der kommunistischen Regierung auf Regimekritiker erleichtern könnte.

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SZ vom 05.06.2020 /AP/DPA/KNA
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