Honduras: Gestürzter Präsident Zelaya:Schüsse vor der Botschaft

Der gestürzte Präsident verschanzt sich in der brasilianischen Botschaft. Davor schießt die Polizei auf Demonstranten.

Peter Burghardt, Buenos Aires

Die brasilianische Botschaft von Tegucigalpa war bis zum Wochenbeginn ein stiller Ort. Über Nacht wurde die Vertretung des regionalen Riesen im unbedeutenden Honduras zur Festung, zum Zentrum einer Schlacht. Seit Montag findet der honduranische Präsident Manuel Zelaya hinter den weißen Mauern Zuflucht, nachdem er auf geheimen Wegen in seine Heimat zurückgekehrt war, obwohl ihn die Putschisten um Roberto Micheletti verhaften wollen.

Vor dem Gebäude im Viertel Palmira versammelten sich trotz Ausgangssperre Hunderte Anhänger Zelayas, Polizisten attackierten sie am Dienstag mit Knüppeln und Tränengas, es gab Verletzte und angeblich zwei Tote. Drinnen empfing Zelaya derweil Emissäre und Reporter. "Ab jetzt holt mich niemand mehr aus meinem Land", verkündete der Mann mit dem Cowboyhut. "Unsere Position heißt Vaterland, Wiedereinsetzung oder Tod" - eine Erweiterung von Kubas Revolutionsparole.

Ziel: Präsidenschaftspalast

Sein Ziel ist natürlich nicht diese fremde, belagerte Bastion. Sondern der Präsidentschaftspalast, den seit dem Staatsstreich vom 28. Juni der vormalige Parlamentsvorsitzende Micheletti gekapert hat.

"Meine Rückkehr ist ein Vorschlag zur Lösung, um die Probleme von Angesicht zu Angesicht zu bewältigen", erläuterte Zelaya, gewählt bis 2010. Er wolle "die Demokratie wiederherstellen". Honduras sei isoliert und wirtschaftlich wie sozial in der Krise. Er sprach von Frieden und Dialog, "das Volk" solle ihn beschützen.

Selbstüberschätzung nach dem ersten Schock

Regierungen von Brüssel bis Washington stehen ihm bei, doch das Ende kennt niemand. Seine Gegner wollen dem legitimen Staatschef wegen Verfassungsbruchs und Vaterlandsverrats den Prozess machen. Micheletti fordert in einiger Selbstüberschätzung die Welt heraus. Brasilien solle Zelaya ausliefern, sagte er, als er den ersten Schock überstanden hatte.

Brasilia denkt nicht daran, obwohl die Stimmung zunehmend aggressiv wird. "Präsident Lula hat mir die Tür geöffnet", sagte Zelaya. Beide Lager werfen sich gegenseitig vor, für Gewaltausbrüche verantwortlich zu sein. Brasiliens Außenminister Celso Amorim warnte: "Wenn dem Präsidenten Zelaya oder unserer Botschaft etwas passiert, dann wäre das eine Verletzung internationalen Rechts."

Micheletti bekommt kein USA-Visum

Luiz Inácio Lula da Silva befindet sich auf dem Weg zum UN-Gipfel in New York, wo auch Zelaya erwartet wurde. Micheletti wird nicht anerkannt und bekommt nicht mal ein Visum für die USA. Er schränkte im üblichen Impuls von Umstürzlern erneut die Grundrechte ein: Weitere Sperrstunden sollten bis mindestens Dienstagabend dauern. Außerdem wurden alle vier Verkehrsflughäfen bis auf weiteres gesperrt und von den Streitkräften übernommen, noch stehen die Generäle zu Micheletti.

Das erschwert außer der geplanten Anreise von Reportern auch den Besuch von José Miguel Insulza, Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Und die rechtskonservativen Aufständischen drohen in einem skurrilen Abwehrkampf damit, den Brasilianern und ihrem Gast den Strom abzustellen.

15 Stunden heimliche Rückreise

Das Regime wurde ebenso überrumpelt wie die Mehrheit der Beobachter. 86 Tage lang war Zelaya durch Stationen seines Zwangsexils getourt, seit ihn Soldaten aus dem Schlafzimmer gerissen und nach Costa Rica verschleppt hatten. Zuletzt war sein Hauptquartier Nicaragua gewesen. Von dort machte er sich am Wochenende heimlich auf den Rückweg, und das erfolgreicher als bei zwei Versuchen zuvor. 15 Stunden habe die Reise gedauert, erzählte er, über Berge und "in verschiedenen Verkehrsmitteln". Man habe dabei mehrere Kontrollen von Polizei und Militär passiert, "denn dieses Land ist von Armeekräften entführt". Gleichzeitig sei deren Schwäche offensichtlich geworden.

Einzelheiten könne er zum Schutz seiner Helfer noch nicht verraten. Es sieht jedoch so aus, als sei eines der Verkehrsmittel ein Flugzeug der venezolanischen Luftwaffe gewesen. Laut der spanischen Zeitung El País machte der Jet mit Zelaya am Sonntag Station in El Salvador und flog dann mit ihm weiter - mangels Landeerlaubnis verlangen die Behörden in San Salvador angeblich 30.000 Dollar Strafe von Venezuela. Präsident Hugo Chávez war der Erste, der Zelayas Coup bekanntgab.

Jetzt sollen Brasilien und die OAS vermitteln. "Die Welt schaut auf Brasilien und Honduras", sagt Micheletti, von ihm will die Welt indes wenig wissen. Die Lehrervereinigung trat in den Streik für Zelaya. Der predigt: "Die Demokratie ist ein friedliches System." Aus dem Land zerren werde man ihn nicht mehr, "damals holten sie mich aus dem Schlaf". Vorläufig ist er wach.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: