Homosexuelle in der CDU:"Man kann politisch schwarz und schwul sein"

Mit dem Vorstoß von Familienministerin Schröder gerät die Homo-Ehe in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Schwule und lesbische Mitglieder in der Union organisieren sich aber schon seit Jahren dafür - in der LSU. Ein Gespräch mit dem Vize-Vorsitzenden Thomas M. Steins.

Oliver Das Gupta

Lesben und Schwule in der Union organisieren sich seit 1998 in der LSU, die bislang weniger als 1000 Mitglieder zählt. Die Gruppe erhielt zuletzt größeren Zulauf durch prominente Unterstützer aus der CDU. Ein Kernanliegen der LSU ist die steuerliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe, ein Thema, das derzeit die Union spaltet. Süddedeutsche.de sprach mit dem Vize-Vorsitzenden der LSU Thomas M. Steins.

Homosexualität, Christopher Street Day in München

Teilnehmer des Münchner Christopher Street Days 2005 zeigen: Homosexualität und als konservativ verschriene bayerische Tracht passen doch zusammen.

(Foto: dpa/dpaweb)

SZ: Herr Steins, Sie sind schwul und Mitglied in der CDU - warum?

Thomas M. Steins: Aus mehreren Gründen: die Europapolitik, das Bekenntnis zur Deutschen Einheit, die transatlantische Freundschaft...

SZ: ...die Familienpolitik unter Helmut Kohl?

Steins: (lacht) Wegen der weniger. Vor allem aber, weil ich das christliche Menschenbild für eine prima Sache halte und das richtige Leitbild für Politik. Und weil die CDU das Prinzip vertritt, wonach jede kleine Zelle, jedes Gemeinwesen seine Aufgaben erst mal lieber selber bewältigen soll. Das gilt natürlich für Menschen, die für einander Verantwortung übernehmen. Es entspricht der CDU-Logik also zu 100 Prozent, dass man Lebenspartner fördert, die in guten wie in schlechten Tagen einander helfen und fördern. So werden Werte bewahrt, konservative Werte.

SZ: Seit 1998 gibt es die LSU. Wie reagieren heterosexuelle Parteifreunde auf Sie?

Steins: Eigentlich recht gut. Manche hatten wissentlich vorher gar keine Homosexuellen kennengelernt und waren überrascht: Sie hatten nur das Bild von Schwulen und Lesben auf dem Christopher Street Day. Viele haben auch erst nach einigen Jahren bemerkt, dass es uns gibt. Das hat sich geändert, auch dank prominenter Unterstützer wie Ole von Beust, Rita Süssmuth, Ingrid Sehrbrock, Regina Görner und Peter Altmaier.

SZ: Nun ist ein Kernanliegen der LSU dominierendes Thema in der Union: Glauben Sie, dass der Appell von 13 Bundestagsabgeordneten, homosexuelle Partnerschaften mit der Ehe steuerlich gleich zu stellen, etwas bewirkt?

Steins: Da geht auf jeden Fall etwas, zumindest in der CDU. Die Zeit ist einfach reif, das zeigt sich auch an der Reihe der bisherigen Unterstützer wie Familienministerin Kristina Schröder oder dem baden-württembergischen CDU-Chef Thomas Strobl. Wir wissen auch von weiteren prominenten Parteifreunden auf unserer Seite, die das hoffentlich auch öffentlich unterstützen werden.

SZ: Wenn es um Gesetze ging, blieb die CDU in dieser Frage bislang starr: Zuletzt wurde ein entsprechender Antrag der Grünen im Bundestag abgelehnt.

Steins: Die CDU ist auf jeden Fall auf dem richtigen Weg. Bei vielen hat ein Bewusstseinswandel stattgefunden. Sicherlich hilft auch die Tatsache, dass nach dem 1. Senat auch der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts in dieselbe Kerbe geschlagen hat. Man will ja nicht ständig von Karlsruhe zum Glück gezwungen werden.

"Fraktionschef Kauder darf das Thema nicht länger vor sich herschieben"

SZ: Wäre es eine Hilfe, wenn sich weitere Unionsmitglieder zur Ihrer Homosexualität bekennen würden?

Homosexuelle in der CDU: Beide bekennen sich zu ihrer Homosexualität und sind trotzdem Mitglieder der CDU: Thomas M. Steins (links) und Hamburgs früherer Erster Bürgermeister Ole von Beust.

Beide bekennen sich zu ihrer Homosexualität und sind trotzdem Mitglieder der CDU: Thomas M. Steins (links) und Hamburgs früherer Erster Bürgermeister Ole von Beust.

Steins: Wir wollen ja nicht, dass sich alle outen. Aber es hilft, den Umgang mit Homosexuellen zu entkrampfen, wenn sich einige offen bekennen. Von Jens Spahn weiß ich, dass er nach seinem Outing in der Süddeutschen Zeitung viel Zuspruch von Leuten bekam, die nichts von seiner Homosexualität wussten und eigene Vorurteile revidieren konnten. Sie haben erkannt: Man kann auch in der Politik schwarz und schwul sein. Aber das ist nicht alles: Wir müssen vor allem Wissenslücken füllen - und das funktioniert, wenn wir eine Debatte in der gesamte Fraktion, Partei und Gesellschaft führen.

SZ: Von welchen Wissenslücken sprechen Sie?

Steins: Viele Bürger wissen gar nicht, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften nach wie vor benachteiligt sind. In meiner Familie, in meinem Freundeskreis gibt es Unionsmitglieder, denen erst jetzt klar wurde, welche Rechte und Pflichten homosexuelle Lebenspartner haben und welche ihnen vorenthalten werden. Deshalb ist es richtig, dass die 13 Abgeordneten das thematisieren - es muss auch in die Fraktion getragen werden.

SZ: Sie sprechen von den Rechten und Pflichten. Welche meinen Sie da im Einzelnen?

Steins: Lebenspartner haben dieselben Pflichte wie Eheleute, was beispielsweise Unterhalt und Versorgungsausgleich angeht, dagegen fehlen die Rechte bei der Einkommenssteuer, also die Möglichkeit des Ehegattensplittings. Auch haben Kinder bislang nicht die Chance, von einem liebenden lesbischen und schwulen Paar gemeinsam adoptiert zu werden. Bei Pflegekindern und Stiefkindadoptionen sieht das der Gesetzgeber bereits heute in unserem Sinne richtig, die Volladoption ist jedoch leider noch nicht möglich.

SZ: Wurde über die Gleichstellung in der Bundestagsfraktion diskutiert?

Steins: Nach allem, was ich höre, bisher nicht. Anstatt die Debatte offen und in der gesamten Fraktion zu führen, wurde das Thema bisher verschleppt. So blieb der Eindruck, dass einzelne Leute mit dem Thema alleine sind. Dass das nicht so ist, zeigt der Appell der 13. Wir tun gut daran, uns dem Thema jetzt zu widmen, gerade mit Blick auf die Wahl 2013. Wenn wir die Option Schwarz-Grün erhalten wollen, ist es höchste Zeit, jetzt über die Homo-Ehe zu diskutieren.

SZ: Gibt es derzeit eine Mehrheit in der Unionsfraktion für die Gleichstellung?

Steins: Mein Gefühl sagt mir Ja. Aber wir sollten es herausfinden: Durch Debatte und Abstimmung. Das ist auch mein Appell an die Fraktionsführung, namentlich an Volker Kauder: Das Thema nicht länger vor sich herzuschieben. Es handelt sich ganz offensichtlich um eine ethische Frage, eine Gewissensfrage. Deshalb sollte der Fraktionszwang aufgehoben werden. Jeder Abgeordnete sollte nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden können.

SZ: Die SPD will einen überfraktionellen Gruppenantrag initiieren.

Steins: Noch schöner wäre es, wenn es zu einem christlich-liberalen Antrag käme. Aber auch bei einem interfraktionellen Gruppenantrag sollten wir als Christdemokraten und Christsoziale selbstbewusst genug sein, zuzustimmen.

SZ: Jan Mücke, FDP-Vorstandsmitglied und Staatssekretär im Verkehrsministerium will die Zustimmung zum Betreuungsgeld vom Ja der Union zur Gleichstellung der Homo-Ehe abhängig machen. Was halten Sie von dieser Aussage?

Steins: Ich begrüße es, wenn die FDP zur Abwechslung einmal in gesellschaftspolitischen Fragen hartnäckig bleibt und gegenüber der CSU auf die Einhaltung des Koalitionsvertrags pocht, indem schließlich drin steht, dass Rechte und Pflichten bei der Lebenspartnerschaft in ein ausgewogenes Verhältnis mit der Ehe gebracht werden sollen. Vom Elterngeld halte ich viel, vom Betreuungsgeld weniger aufgrund möglicher Fehlanreize, da kommt es deshalb stark auf die Details an. Die Koalition wird eine moderne, werteorientierte Familienpolitik aber nicht zerreißen.

SZ: Wäre es nicht an der Zeit, dass Angela Merkel als Kanzlerin und Parteivorsitzende sich zu dem Thema positioniert?

Steins: Angela Merkel befindet sich im wohlverdienten Urlaub und hat mit der Euro-Krise genug zu tun. Es macht auch wenig Sinn, die Sache per ordre de Mufti zu entscheiden. Wir wollen die Leute überzeugen, wir sollen ja alle in der Union mitnehmen. Die Entscheidung muss bei jedem selber reifen. Wir dürfen in der Union nicht vergessen: Konservativismus heißt nicht, Asche zu hüten, sondern eine Flamme am Brennen zu halten.

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