Süddeutsche Zeitung

Homo-Ehe:"Nicht weit genug"

Der frühere Bundesanwalt Manfred Bruns zum Lebenspartnerschaftsgesetz der rot-grünen Koalition.

Oliver Bantle

Er ist sich sicher: "Hätte ich in meiner Jugend ein sozial anerkanntes schwules Paar gekannt, dann wäre mein Leben sinnvoller verlaufen." Der frühere Bundesanwalt Manfred Bruns hat seine eigene Homosexualität erst einmal verdrängt, er heiratete und wurde Vater von drei Kindern.

Er sei "in einer Zeit groß geworden, in der Homosexuelle ins KZ gesteckt wurden und später in die Adenauer-Gefängnisse". Bruns outete sich Anfang der 80er Jahre anlässlich der Kießling-Affäre gegenüber seinem Chef, dem damaligen Generalbundesanwalt Kurt Rebmann. Daraufhin wurde er von dem mit Staatsschutzsachen befassten 3.Strafsenat an den 1.Strafsenat versetzt.

"Aktion Standesamt"

Der heute 67-Jährige setzt sich - wie auch der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck - seit langem dafür ein, dass auch Schwule und Lesben heiraten können. Anfang der 90er Jahre initiierte er die "Aktion Standesamt", bei der mehr als 250 gleichgeschlechtliche Paare die Standesämter stürmten. Seit 1991 ist er Sprecher des Schwulen- und Lesbenverbands Deutschlands (LSVD).

Der ehemalige Bundesanwalt wird dem Thema "Homo- Ehe" weiter treu bleiben - unabhängig davon, ob das Bundesverfassungsgericht das Lebenspartnerschaftsgesetz der rot-grünen Koalition am Mittwoch auf Antrag der Bundesländer Bayern, Thüringen und Sachsen stoppen wird oder nicht. "Diese Länder können das Gesetz verzögern, verhindern können sie es nicht mehr", sagt Bruns.

"Die ganzen Rechte der Eheleute fehlen."

Die Argumente der drei Länder hält der Jurist teilweise für "Blödsinn". Eine eingetragene Lebenspartnerschaft sei keine Konkurrenz zur Ehe. Schwule und Lesben würden ja nur einander heiraten. Auch sonst hält er den Vergleich zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe für bemüht: "Das Gesetz schreibt fast nur Pflichten fest. Die ganzen Rechte, die Eheleute haben, fehlen."

In der Tat sind steuerliche Vergünstigungen für die Lebenspartnerschaften nicht vorgesehen - auch keine Versorgungsansprüche. Deshalb glaubt Bruns auch nicht daran, dass heterosexuelle Paare nun ebenfalls eine "kleine Ehe" einklagen werden. Vermutlich sei die Kontroverse um das Gesetz bald beendet. Strittig werde nur bleiben, was Kosten verursache: steuerliche Erleichterungen etwa.

"Da geht es nur um Ideologie"

So sehr sich Bruns und sein Verband für das Lebenspartnerschaftsgesetz engagieren: Im Grunde geht es ihm nicht weit genug. Er fordert weiterhin für schwule und lesbische Paare das Recht, ganz normal zu heiraten - wie beispielsweise in den Niederlanden.

Am meisten vermisst der Jurist bei dem neuen Gesetz das Recht zur Adoption. Nicht einmal die Stiefkindadoption ist vorgesehen, die Möglichkeit, dass ein Partner das leibliche Kind des anderen adoptieren kann. "Da geht es nur um Ideologie", klagt Bruns. Zwar müsse immer das Kindeswohl im Vordergrund stehen. Aber es gebe viele Fälle, da wäre es für die Kinder gut, wenn die gleichgeschlechtlichen Erwachsenen, bei denen es lebe, auch seine rechtmäßigen Eltern wären.

Coming-out Wowereits sehr hilfreich

Das öffentliche Coming-out des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, empfindet Manfred Bruns als sehr hilfreich für die Schwulen und Lesben in Deutschland. "Je mehr Prominente sich outen, desto eher wird Homosexualität als ganz normale Erscheinung anerkannt", sagt er.

Es sei für die Eltern homosexueller Kinder wichtig zu wissen, dass ihr Kind nicht "abartig" sei, sondern auf dem bürgerlichen Weg bleiben könne. "Die Jugendlichen brauchen Leitbilder, um sich orientieren zu können", sagt Bruns, in dessen Jugend es keine Vorbilder geben durfte, weil Homosexualität unter Männern strafbar war.

Seine eigene Biografie ist für ihn ein zentrales Motiv gewesen, sich für die Gleichberechtigung homosexueller Paare einzusetzen.

Mit seinem Freund wird Manfred Bruns keine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Dazu bestehe kein Grund, sein Partner sei ebenfalls pensionierter Beamter, und somit seien beide versorgt.

"Außerdem bin ich noch immer verheiratet und ich möchte es auch bleiben", sagt Bruns. Er verstehe sich mit seiner Frau, seinen Kindern und seinen Enkelkindern sehr gut: "Und sie akzeptieren meinen Lebensgefährten."

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