Süddeutsche Zeitung

Holocaust-Vergleich:Berlusconi empört Juden

"Meine Kinder sagen, sie fühlen sich wie jüdische Familien in Deutschland während des Hitler-Regimes": Italiens Ex-Premier Berlusconi sorgt mit einem Holocaust-Vergleich für empörte Reaktionen. Es war nicht seine erste Entgleisung.

Italiens Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi hat seine Familie mit verfolgten Juden im Nationalsozialismus verglichen. "Meine Kinder sagen, sie fühlen sich wie jüdische Familien in Deutschland während des Hitler-Regimes. Wir haben wirklich alle gegen uns", sagte Berlusconi in einem Interviewband, aus dem italienische Medien vorab zitieren.

Berlusconi antwortete damit auf die Frage, ob die Gerüchte wahr seien, dass seine Kinder ihn angesichts der laufenden Gerichtsprozesse und anhaltenden Kritik zum Auswandern überreden wollen. Der Ex-Premier, der seine Heimat in der Vergangenheit bereits als "Scheißland" bezeichnet hat, denkt indessen nicht daran, Italien zu verlassen. "Ich bin zu 100 Prozent Italiener. Meine Wurzeln habe ich hier", sagte er.

Der Vorsitzende der Vereinigung jüdischer Gemeinden in Italien, Renzo Gattegna, wies den Vergleich entschieden zurück und nannte ihn "unverständlich, unangemessen und beleidigend". Insbesondere für Opfer des Nazi-Regimes sei die Aussage verletzend, denn ihnen sei jedes Recht genommen worden und sie hätten unerträgliches Leid erfahren.

Auch der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Roms, Riccardo Pacifici, nannte dem Nachrichtenportal Rainews 24 gegenüber Berlusconis Vergleich "völlig unangebracht." "Ich sehe ein generelles Problem der Herunterspielung und Banalisierung des Holocaustes", sagte er. In sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter empören sich zahlreiche Italiener nach Bekanntwerden von Berlusconis Vergleich.

Berlusconis wiederholte Entgleisungen

Es ist nicht seine erste Entgleisung: Für großen Aufruhr sorgte Berlusconi, als er dem Europaabgeordneten Martin Schulz (SPD) im Jahr 2003 eine Rolle als Kommandant in einem Nazi-Film vorschlug. Als Hunderte Migranten im Winter 2008/2009 aus dem Flüchtlingslager auf der Insel Lampedusa ausbrachen, um gegen die erbärmlichen Bedingungen zu protesitieren, fiel Berlusconi ein weiterer unpassender Vergleich ein: "Die, die auf der Insel ankommen, dürfen sich frei bewegen, es ist kein Konzentrationslager". Es stehe den Flüchtlingen jederzeit frei, ein Bier trinken zu gehen.

Das Interview des TV-Journalisten Bruno Vespa, aus dem Berlusconis neuester Vergleich stammt, erscheint am Freitag in einem Buchband mit dem Titel "Sale, zucchero e caffe" ("Salz, Zucker und Kaffee"). Unterdessen steht noch aus, ob Berlusconi wirklich "alle gegen sich" hat: Am 27. November will der italienische Senat über den Ausschluss des früheren Ministerpräsidenten abstimmen.

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