Süddeutsche Zeitung

Zeitgeschichte:Holocaust-Überlebende Trude Simonsohn ist tot

Sie überlebte Auschwitz und setzte sich in Deutschland für Versöhnung und ein respektvolles Miteinander ein. Im Alter von 100 Jahren ist die erste Ehrenbürgerin von Frankfurt am Main gestorben.

Die Holocaust-Überlebende Trude Simonsohn ist tot. Sie starb am Donnerstag im Alter von 100 Jahren. "Wir sind fassungslos und voller Trauer über diesen großen Verlust", sagte Salomon Korn, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main. Simonsohn sei eine bemerkenswerte, herausragende Frau gewesen, die stets zum Wohle anderer Menschen gehandelt habe.

Als Schoa-Überlebende habe sich Simonsohn für Versöhnung und ein respektvolles Miteinander eingesetzt und etwa Schulklassen von den Gräueln in den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern erzählt. "Durch ihr unermüdliches Engagement, insbesondere jungen Menschen in Schulen vom Erlebten zu berichten, wirkte sie für eine friedlichere Gesellschaft", sagte Korn. "Trude hat ihren Lebensweg auch stets voller Hoffnung und Mut gestaltet und glaubte an eine bessere Welt, die aus ihrer Vergangenheit gelernt hat."

Seit 1955 lebte Simonsohn in Frankfurt am Main und war dort von 1989 bis 1992 Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde. Geboren wurde sie am 25. März 1921 in Olomouc (Olmütz) in der damaligen Tschechoslowakei (im heutigen Tschechien), wo sie in einem liberalen jüdischen Elternhaus aufwuchs. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht und der Annexion ihrer Heimat als Protektorat Böhmen-Mähren wurde ihr Vater Maximilian Gutmann im September 1939 verhaftet, er wurde später im Konzentrationslager Dachau ermordet.

Simonsohn ging in den Widerstand: Sie engagierte sich in der zionistischen Jugendarbeit und half jungen Juden , die nach Palästina ausreisen wollten. Im Sommer 1942, nach dem tödlichen Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich durch tschechoslowakische Widerstandskämpfer, wurde sie unter dem Vorwurf des Hochverrats verhaftet und im November, wie ihre Mutter Theodora Appel, in das als Ghetto bezeichnete Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Ihre Mutter wurde später im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet.

Mit ihrem Mann engagierte sich Simonsohn auch für jüdische Flüchtlinge

In Theresienstadt organisierte Simonsohn mit anderen Gefangenen Unterricht für die dorthin verschleppten Kinder, bevor sie im Oktober 1944 nach Auschwitz verlegt wurde, genau wie ihr Ehemann Berthold Simonsohn. Sie hatte den Sozialpädagogen und Juristen in Theresienstadt kennengelernt und "rituell" geheiratet. In Auschwitz allerdings wurde das Ehepaar getrennt. Trude Simonsohn wurde ins KZ Merzdorf bei Groß-Rosen gebracht, wo sie im Mai 1945 von Soldaten der Roten Armee befreit wurde. Überlebt hatte sie wohl auch deshalb, weil es ihr gelungen war, sich als tschechische Zwangsarbeiterin auszugeben, wie sie in ihrer Biografie berichtete. Auch ihr Mann überlebte die Konzentrationslager.

Bevor die Simonsohns nach Frankfurt zogen, lebten sie in der Schweiz, wo sie 1949 auch standesamtlich getraut wurden. Das Paar engagierte sich hier in der jüdischen Flüchtlingshilfe, Trude kümmerte sich um junge Waisen, die durch die Shoah traumatisiert worden waren. 1950 zog das Ehepaar nach Hamburg, fünf Jahre später nach Frankfurt, wo Berthold Simonsohn 1978 starb.

2016 ernannte die Stadt Frankfurt mit Trude Simonsohn erstmals eine Frau zur Ehrenbürgerin. Auf die Frage, ob sie die Deutschen nach ihren Erfahrungen nicht hassen müsste, sagte sie dem Hessischen Rundfunk einmal: "Ich habe kein Talent zum Hassen."

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