KZ-Gedenkstätten:Aus Sorge und Interesse

Die Besucherzahlen an den Gedenkorten für NS-Opfer sind in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen.

Von Oliver Das Gupta und Irina Sandkuhl

Gerade zwei Jahre ist es her, dass Thüringens AfD-Chef Björn Höcke von "dämlicher Bewältigungspolitik" sprach und eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" forderte. Inzwischen sitzt Höckes Partei im Bundestag und in allen deutschen Landesparlamenten, der Rechtsruck ist manifest - und verstärkt möglicherweise einen Trend, welcher der Gedenkkultur zugutekommt. Denn das öffentliche Interesse an Gedenkorten für NS-Opfer ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Diesen Trend bestätigten deutsche Einrichtungen auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung und des epd.

Viele Geschichtsinteressierte fragen bei Führungen nach Parallelen zur Gegenwart

Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, spricht von wahrnehmbaren "Irritationen" der Besucher "über zunehmende Grenzverletzungen in demokratischen Staaten". Bei Führungen fragten die Interessierten oft nach Parallelen zur Gegenwart. Auch zur Gedenkstätte Neuengamme kommen immer mehr Menschen, die sich wegen antidemokratischer Tendenzen Sorgen machen und dies "als Beweggrund für ihren Besuch nennen", sagt Iris Groschek von der Hamburger Gedenkstätte: "Nicht das Wissen um die NS-Diktatur und die Schoah ist gewachsen, sondern das Interesse der Menschen."

Zudem kommen auch immer mehr Gäste aus dem Ausland. "Der Anteil der Hamburg-Touristen, die ihre Zeit in der Stadt auch zu einem Besuch in Neuengamme nutzen, ist auf etwa 65 Prozent gewachsen", sagt Groschek. Manchmal erscheinen Besucher, deren Kreuzfahrtschiff in Hamburg angelegt hat und "die sich wirklich für die Vergangenheit interessieren".

Nach Dachau kommen deutlich mehr Besucher aus asiatischen Ländern wie China, weshalb die Gedenkstätte auch Audio-Guides in Mandarin anbietet. Inzwischen besuchen jährlich mehr als 2,5 Millionen Menschen die bekannteren KZ-Gedenkstätten wie Dachau, Neuengamme, Sachsenhausen, Bergen-Belsen, Flossenbürg, Ravensbrück und Buchenwald. Gedenkstätten können kostenlos besichtigt werden, darum geben die Einrichtungen die Anzahl der Besucher nur ungefähr an. Auch die kleineren Gedenkorte verzeichnen steigende Zahlen. 2018 besuchten 13 800 Menschen die sächsische NS-Gedenkstätte zur Geschichte der nationalsozialistischen Krankenmorde, Pirna-Sonnenstein - so viele wie nie zuvor.

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