Zum 80. Jahrestag der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Auschwitz hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dazu aufgerufen, das Gedächtnis an die Verbrechen und Opfer der Nationalsozialisten wachzuhalten. „Erinnerung kennt keinen Schlussstrich und Verantwortung deshalb auch nicht“, sagte Steinmeier bei seinem Besuch der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau in Polen, wo an diesem Montag fast die gesamte deutsche Staatsspitze anwesend war.
Steinmeier verwies auf einen Anstieg antisemitischer Straftaten in Deutschland, insbesondere seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Jahr 2023 und dem darauffolgenden Krieg in Gaza. „Nichts zeigt deutlicher, dass Erinnerung kein Ende kennt und deshalb Verantwortung keinen Schlussstrich“, sagte er.

Holocaust:Über eine Lebende
Eva Szepesi war als Zwölfjährige in Auschwitz, ganz allein, ohne Eltern. Fünfzig Jahre hat sie geschwiegen, dann begann sie zu reden. Wie der Holocaust bis heute ihren Alltag prägt - und den ihrer Töchter und Enkel. Unterwegs mit einer der letzten Zeitzeuginnen.
Auschwitz stehe „für die Monstrosität eines beispiellosen Menschheitsverbrechens“. Er würdigte auch die Überlebenden, die es in den vergangenen Jahrzehnten auf sich genommen hätten, ihre Erlebnisse und Geschichten an die nächste Generation weiterzugeben. Viele seien schon gestorben. „Es ist jetzt an uns, unseren Generationen, ihre Mahnung und ihre Erwartung an die nächste Generation weiterzureichen“, sagte der Bundespräsident.
Mit der zentralen Gedenkfeier in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau wurde an den 80. Jahrestag der Befreiung des NS-Konzentrations- und Vernichtungslagers erinnert. Zum Auftakt legte Polens Präsident Andrzej Duda einen Kranz nieder. Er sehe seine Landsleute, auf deren damals von Nazideutschland besetztem Gebiet die Konzentrationslager errichtet wurden, als „Hüter der Erinnerung“.
An der Gedenkfeier nahmen hochrangige Staatsgäste aus vielen Ländern teil, darunter der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij, selbst jüdischer Abstammung. Aus Deutschland waren neben Steinmeier unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) anwesend.
Mehr als eine Million Menschen wurden in Auschwitz von den Nazis umgebracht
Im Mittelpunkt der diesjährigen Veranstaltung standen die Überlebenden. Mehr als 50 ehemalige Häftlinge aus Auschwitz-Birkenau und anderen Lagern waren dabei, wie die Gedenkstätte mitteilte. Vier von ihnen hielten am Nachmittag die zentrale Ansprache.
Im Konzentrationslager Auschwitz wurden zwischen 1940 und 1945 etwa 1,1 Millionen Menschen ermordet. Das Lager wurde zum Symbol der nationalsozialistischen Judenverfolgung. Am 27. Januar 1945 wurden die letzten Gefangenen, die nicht auf die Todesmärsche getrieben wurden, von der sowjetischen Roten Armee befreit.
2005 riefen die Vereinten Nationen den 27. Januar zum internationalen Holocaust-Gedenktag aus. In Deutschland war der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus bereits 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog proklamiert und auf den 27. Januar festgelegt worden.
Im Vorfeld des Gedenktages hatte Kanzler Scholz dazu aufgerufen, sich stärker um die Erinnerung der jüngeren Generation an den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden zu bemühen. „Es muss uns bedrücken, wie viele junge Menschen in Deutschland kaum noch etwas über den Holocaust wissen“, sagte Scholz. Der Kanzler sieht einen „Auftrag an uns alle, daran etwas zu ändern“.
Scholz nannte es in einem Interview für die Neue Berliner Redaktionsgesellschaft, die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten „wichtig, dass wir möglichst vielen jungen Menschen ermöglichen, mit den noch lebenden Zeitzeugen zu sprechen. Und wir müssen die Erinnerung hochhalten, wenn die letzten Zeugen einmal nicht mehr leben.“
Eine Umfrage im Auftrag der Jewish Claims Conference hatte kürzlich ergeben, dass fast 40 Prozent der Befragten zwischen 18 und 29 Jahren in Deutschland keine korrekten historischen Angaben zur NS-Zeit machen konnten. Jeder zehnte Erwachsene kennt demnach die Begriffe Holocaust oder Shoah nicht.