Hollande und Tsipras:Patensohn als Vorbild

Hollande und Tsipras: Frankreichs Staatschef Hollande mit dem griechischen Ministerpräsidenten Tsipras im Februar in Paris.

Frankreichs Staatschef Hollande mit dem griechischen Ministerpräsidenten Tsipras im Februar in Paris.

(Foto: AP)

Frankreichs Präsident Hollande bewundert seinen Zögling Tsipras: Der wurde wiedergewählt - und hat die radikale Linke ins Aus gedrängt. Können die Pariser Sozialisten davon profitieren?

Von Christian Wernicke, Paris

François Hollande sah aus wie selten - wie ein Sieger nämlich. Zufrieden und mit einem Lächeln kommentierte Frankreichs Präsident in der Wahlnacht den Triumph von Alexis Tsipras. Das griechische Votum beinhalte "eine wichtige Botschaft für die europäische Linke", frohlockte der Sozialdemokrat. Selbstverständlich, so belehrte Hollande, müsse die Linke "die Werte des Fortschritts und des Wachstums bekräftigen." Aber der Erfolg verlange noch etwas anders: "Realismus".

Der 61-jährige Hollande ist so etwas wie der europäische Pate des zwanzig Jahre jüngeren Griechen. Élysée-Berater erzählen sogar, anfangs habe der Franzose den Neuling "wie ein großer Bruder" an die Hand genommen. Seit Tsipras' Amtsantritt im Januar mühte sich Hollande, dem Syriza-Mann bei dessen Einschulung in Europas politische Klasse zu helfen.

Hollande baute die Brücke zu Angela Merkel, und es war allen voran Frankreich, das beim entscheidenden Krisengipfel im Juli die Idee von Wolfgang Schäuble blockierte, die Griechen "auf Zeit" aus der Euro-Zone zu werfen. Nun hat Hollandes Schützling in Athen erreicht, wovon Frankreichs Präsident in Paris anno 2017 nur träumen kann: Die Wiederwahl, inklusive Rückhalt für den eigenen, inzwischen gezähmten Reformkurs.

Ein Teil der Linken hasst Hollandes Kurs

Auch Hollande hatte, wie Tsipras, vor seiner Wahl 2012 vergleichsweise radikale Töne angestimmt. Das Finanzkapital beschrieb er als "meinen wahren Feind", Europa wollte er nach links wenden. Es kam bekanntlich anders: Seit 2013 verfolgt der Präsident langsam, aber stetig einen sozialliberalen Kurs.

Ein gehöriger Teil von Frankreichs Linken - die Anhänger der Parti de Gauche, die Kommunisten, auch die Rebellen in der eigenen Partei - verachtet, ja hasst Hollande dafür.

Genau an diese radikalen Genossen dachte der Präsident, als er am Sonntagabend das Ergebnis aus Athen analysierte und auf die "Volkseinheit" blickte. Das ist jenes Links-Bündnis von Ex-Syriza-Mitgliedern, die Tsipras' wegen seiner EU-Kompromisse als Verräter zeihen.

Die Volkseinheit, Laiki Enotita, scheiterte mit ihrem Anti-Euro-Kurs nun schmählich an der Drei-Prozent-Hürde. Noch ein Beweis für den Realisten Hollande: "Das Ergebnis dieser Dissidenten-Gruppe spricht nicht für eine solche Art der Strategie."

"Die Zersplitterung, das bedeutet den Untergang"

Nur, anders als Tsipras hat Hollande die französische Linke nicht gebändigt. Im Gegenteil, bei den Regionalwahlen im Dezember droht den regierenden Sozialisten (PS) ein erneutes Desaster. Der Präsident ist, mit gerade mal 23 Prozent Popularität, eher Ballast.

Obendrein ist die Linke heillos zerstritten: Grüne, Kommunisten und Parti de Gauche treten kreuz und quer gegeneinander an - und verweigern beinahe jedes Listenbündnis mit PS-Kandidaten.

"Die Zersplitterung, das bedeutet den Untergang", hatte Hollande vor zwei Wochen orakelt. Sein PS-Parteisekretär Jean-Christophe Cambadélis mühte sich um die Einheit der Linken, indem er die komplexe Lage sehr kühn auf zwei Lager reduzierte: In Frankreich sollten ab sofort "alle progressiven Kräfte" einen gemeinsamen Gegner bekämpfen - nämlich "den reaktionären Block" aus rechten Republikanern und rechtsextremem Front National.

Das verfing nicht. In seiner Not hat Parteisekretär Cambadélis nun Frankreichs Linke zu einem "Referendum" aufgerufen: Sozialisten, Grüne und linke Linke sollen Mitte Oktober per Urabstimmung gegen Zank und für Einheitslisten votieren.

Die Rechtsextremen auf dem Vormarsch

Das Manöver dürfte widerspenstige Hollande-Gegner kaum beeindrucken. Und selbst Sozialisten warnen vor einer Pleite: Der Verdruss über den Regierungskurs sei so groß, dass viele Linke das Referendum schlicht boykottieren dürften.

Die Niederlage bei den eigentlichen Wahlen im Dezember wird immer wahrscheinlicher. Umfragen vom Wochenende prophezeien, dass der Front National erstmals eine gesamte Region wird erobern können. Oder, ganz realistisch, auch zwei.

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