Süddeutsche Zeitung

Hollande nach dem TV-Duell gegen Sarkozy:"Nun wissen die Franzosen, wozu ich fähig bin"

Der sonst so sanfte Sozialist Hollande überrascht Sarkozys Lager mit seiner "aggressiven Seite": Weder Konservative noch politische Beobachter rechneten damit, dass er so "kämpferisch und arrogant" auftreten würde - wo er doch hinter der Kamera "so schlaff" sei. Hollande selbst scheint sich in seiner Rolle gefallen zu haben. Einen klaren Sieger gab es nicht - doch der Herausforderer bleibt Favorit für die Stichwahl.

Lange galt er als farblos, schlaff, dröge. Doch bei dem großen Fernsehduell überraschte der sozialistische Favorit François Hollande selbst seine schärfsten Kritiker. Sarkozys Lager musste einräumen, man habe nicht mit einem solchen Auftritt gerechnet. Sarkozys Sprecherin Nathalie Kosciusko-Morizet sagte dem Sender France Inter: "Ich war erstaunt über die aggressive Seite von François Hollande."

Sie frage sich, wie jemand der hinter der Kamera so "sanft" erscheine, "so aggressiv und arrogant" vor der Kamera sein könne. Hollande sei dem konservativen Präsidenten sehr oft ins Wort gefallen. Auch Innenminister Claude Guéant befand, Hollande sei "sehr kämpferisch" gewesen, zugleich "voller Arroganz, voller Selbstgefälligkeit". Der Sozialist habe den Eindruck erweckt, als ob er schon im "Präsidentensessel" sitze, sagte er dem Sender Europe 1.

Sarkozy hatte den Sozialisten in dem TV-Duell mehrfach der Lüge bezichtigt und zudem als "kleinen Verleumder" bezeichnet. Daraufhin war Hollande zum Gegenangriff übergangen - sehr zur Überraschung Sarkozys, der seinerseits gehofft hatte, seinen Rivalen in der direkten Auseinandersetzung schlagen zu können. Hollande ist den Umfragen zufolge mit 53 bis 55 Prozent der klare Favorit für die zweite Runde der Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag.

"Hollande bleibt der Favorit"

Das TV-Duell, das fast jeder dritte Franzose verfolgte, blieb ohne klaren Sieger, so jedenfalls der einhellige Tenor in den französischen Medien. Zuversichtlich gab sich lediglich der konservative Figaro, der Sarkozy immer noch eine Chance prophezeit, "am kommenden Sonntag den Sieg davonzutragen." Die katholische Tageszeitung La Croix beschrieb Sarkozy als kämpferisch und leicht in Führung, der Präsident habe punkten können, allerdings reiche dies nicht aus, um den Umschwung in den Umfragewerten herbeizuführen. Als unentschieden betrachtete Le Monde das TV-Duell: "Da Hollande bereits in Führung lag, kann man sagen, dass er der Favorit bleibt."

Dem Amtsinhaber selbst dürfte das nicht gefallen. Nach der Debatte beschrieb er seinen Konkurrenten als "aggressiv". Hollande hingegen zeigte sich zufrieden mit seiner Performance: Die Franzosen wüssten nun, "wozu ich fähig sein kann", sagte er beim Verlassen des Studios von France Télévision. Zugleich räumte er ein, dass es während der Debatte durchaus schroffe Momente gegeben habe.

Lob für seinen Auftritt kam von unverhoffter Seite: Die rechtsextreme Ultranationalistin Marine Le Pen betonte im TV-Nachrichtensender BFM, Hollande habe mit seinem Auftreten überrascht und viele seiner Kritiker Lügen gestraft. "Er hat seine Rolle ausgefüllt", sagte sie.

Jean-Luc Mélenchon, der mit seiner Linksfront in der ersten Runde des Wahlkampfs Vierter wurde, zeigte sich der Zeitung Le Parisien zufolge mit Hollandes Leistung zufrieden. Harte Worte fand er indes für den Auftritt des amtierenden Präsidenten: "Sarkozy hat seine Zeit mit Herumhampeln und Debattieren verbracht, das war am Schluss einfach nur noch erbärmlich."

Auch politische Beobachter zeigten sich von der Heftigkeit des Schlagabtausches überrascht. Gaël Sliman vom Umfrageinstitut BVA sagte, zuletzt habe es 1988 zwischen dem Sozialisten François Mitterrand und dem Konservativen Jacques Chirac eine derart harte Diskussion gegeben.

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