Hollande kündigt Steuererhöhungen an:"Ich stehe im Kampf"

Erst vor vier Monaten gewählt und schon mächtig unter Druck: In einem TV-Interview will Frankreichs Staatspräsident François Hollande die Kritik entkräften, er würde die Krise unterschätzen. Der Sozialist kündigt Steuererhöhungen und Einsparungen an - und verspricht den Franzosen den nächsten Aufschwung.

Stefan Ulrich, Paris

François Hollande ist erst seit vier Monaten gewählt, doch er steht bereits mächtig unter Druck. Seit der Rückkehr aus den Sommerferien verfällt die Popularität des französischen Präsidenten rapide. Seine Umfragewerte brechen ein, die rechten und linken Medien wetteifern mit Negativschlagzeilen und die konservative Opposition lässt ohnehin kein gutes Haar an dem Sozialisten.

Der Grundtenor lautet: Hollande unterschätzt die Krise. Er sei zu langsam, zu passiv, zu führungsschwach. Dabei übersteigt die Arbeitslosenquote nun die zehn Prozent und der Wirtschaft droht eine Rezession. Es ist untertrieben, zu sagen, dass sich die Franzosen große Sorgen machen. "Der Wandel erfolgt jetzt", lautete Hollandes Wahlkampfslogan im Frühjahr. Doch als er am Freitag den Ort Châlons-en-Champagne besuchte, reckten ihm die Leute Schilder mit der Frage entgegen: "Der Wandel erfolgt wann?"

Hollande hat erkannt, dass er nicht einfach weitermachen kann mit einer Mischung aus Bierruhe und Schelte für den Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy. Daher geht er nun in die Offensive. In Châlons-en-Champagne räumte er ungewohnt schonungslos ein, die Wirtschaftslage sei "außergewöhnlich ernst".

Krisenpräsident unter Druck

Am Sonntagabend gab er dann dem größten Privat-Fernsehsender TF1 in der Hauptnachrichtensendung ein ausführliches Interview. Darin beteuerte er, ein Präsident in Aktion zu sein. "Ich stehe im Kampf", sagte er und: "Ich weiß, wohin ich will." In schwarzem Anzug, weißem Hemd, nachtblauer Krawatte und ohne einen Rest Sommerbräune wirkte Hollande wie die Verkörperung eines Krisenpräsidenten.

Er habe zwei Schlachten zu schlagen, sagte er, gegen die Arbeitslosigkeit und gegen die Staatsverschuldung. Die Prognose für das Wirtschaftswachstum 2013 müsse von 1,2 auf 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) herabgesetzt werden, räumte der Präsident ein, um seinen Realismus zu demonstrieren. Dennoch hält er an den Zielen fest, die Neuverschuldung 2013 auf drei Prozent des BIP zu begrenzen und 2017 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. "Es geht um unsere Souveränität und um unsere Unabhängigkeit von den Finanzmärkten."

Sparanstrengungen und Steuererhöhungen

Um das Defizitziel für 2013 zu erreichen, fehlten noch 30 Milliarden Euro, rechnete der Präsident vor. Daher werde er zehn Milliarden an Staatsausgaben streichen. Alle Ressorts müssten sparen, mit Ausnahme von Bildung, Polizei und Justiz. Zehn weitere Milliarden müsse die Wirtschaft aufbringen, wobei in erster Linie Großunternehmen herangezogen werden sollen, insbesondere durch die Streichung von Steuervergünstigungen. Kleine und mittlere Betriebe würden dagegen verschont.

Hollande Frankreich

Frankreichs Präsident Hollande bei seinem Fernsehinterview: "Ich weiß, wohin ich will."

(Foto: REUTERS)

Die restlichen zehn Milliarden werden den Bürgen aufgeladen. Dabei möchte Hollande vor allem die Gutverdienenden stärker zur Kasse bringen. Vehement verteidigte er seinen Plan, Einkommen von mehr als einer Million Euro im Jahr mit 75 Prozent zu besteuern. Spitzenverdiener müssten mit gutem Beispiel vorangehen.

Reiche Franzosen, die sich im Ausland niederlassen wollen, um der Steuer zu entgehen, rief der Präsident zum Patriotismus auf. "Wir sind stolz, Franzosen zu sein", sagte er. "Wir sind ein großes Land mit vielen Trümpfen und einer großen Geschichte." Hollande bemühte sich, den Bürgern nicht nur weitere Opfer in Aussicht zu stellen, sondern auch ein Licht am Ende des Tunnels aufzuzeigen. Er kündigte an, binnen eines Jahres den Negativtrend bei den Arbeitslosenzahlen zu drehen.

Zwei Jahre brauche er, um Frankreich wieder aufzurichten. Danach soll es aufwärts gehen. Sein Ziel sei es, dass die Franzosen am Ende seiner Amtszeit im Jahr 2017 sagen, es gehe ihnen besser als 2012.

Arbeitnehmer erhalten Zuschüsse für Jungendjobs

Erste große Reformen zum Abbau der Arbeitslosigkeit will Hollande noch in diesem Jahr verabschieden, damit sie 2013 bereits wirken können. Dazu zählen die Schaffung staatlich bezuschusster "Zukunftsjobs" für junge Leute sowie Anreize für Unternehmen, Jugendliche einzustellen und zugleich ältere Arbeitnehmer im Betrieb zu halten.

Den Sozialpartnern setzte er eine Frist bis Jahresende, um den Arbeitsmarkt zu reformieren, mit dem Ziel, Jobs zu erhalten. Sollten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einigen, werde der Staat entscheiden.

Das Echo auf den Vorstoß Hollandes klang wie zu erwarten sehr unterschiedlich. Die Sozialisten jubelten: "Der Präsident zeigt sich seiner historischen Verantwortung gewachsen." Die Konservativen höhnten: "Francois Hollande weiß weder, was er will, noch, wohin er geht." Was die Bürger denken, werden die nächsten Umfragen zeigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: