Hollande trifft Merkel in Berlin:Erstes Date mit einem Unbekannten

Fast zwei Stunden musste Merkel auf ihren Gast aus Paris warten - ein Blitz hatte Hollandes Flugzeug getroffen. Zur Begrüßung gab es dann auch kein Küsschen, sondern nur einen Handschlag. Wirklich innig wurde es auch im weiteren Verlauf nicht - wobei die Sprache noch das kleinste Problem ist zwischen der Kanzlerin und ihrem neuen Kollegen.

Nico Fried, Berlin

Am späteren Abend im Kanzleramt ist das Bemühen um Freundlichkeit nicht zu übersehen. Etwas mehr als eine Stunde habe man nun erst einmal zusammengesessen, berichtet Angela Merkel. Da habe es Gemeinsamkeiten gegeben - und vielleicht auch einige wenige "Ansätze von unterschiedlichen Positionen". Aber bitte nicht übertreiben.

"Es ist alles so, dass ich mich auf die weitere Zusammenarbeit freue", sagt die Kanzlerin. Und als die Frage gestellt wird, in welcher Sprache sich der Präsident und die Kanzlerin unterhalten hätten, antwortet François Hollande pathetisch, aber auch ein bisschen ungelenk: Ein französischer Präsident verstehe die Kanzlerin auch, wenn sie deutsch spreche, und umgekehrt. Es gebe "eine gemeinsame Sprache des Interessenausgleichs".

Sie werde Hollande mit offenen Armen empfangen, hatte Merkel angekündigt. Zumindest halboffen sind sie tatsächlich, als der Präsident mit zwei Stunden Verspätung am Dienstagabend vor dem Kanzleramt aus dem Wagen steigt. Hollande präsentiert sich noch ein wenig steif: kein Küsschen, keine Umarmung. Das erste Treffen der Kanzlerin und des Präsidenten Aug' in Aug' haben durchaus Züge eines Blind Date - Begegnung mit einem Unbekannten.

Kurz nach dem Start in Paris hatte Hollande umkehren müssen, offenbar hatte ein Blitz seine Maschine getroffen, mit einem Ersatzflugzeug unternahm er den zweiten Versuch, diesmal erfolgreich. Beim Abschreiten der Ehrenformation wagt Merkel erste Annäherungsversuche und zeigte sich hilfreich gegenüber dem unerfahrenen Gast: ein Stupser hier, ein Zupfer da, so fand auch Hollande den Weg über den roten Teppich.

Gut zwei Stunden später, bei der ersten Pressekonferenz, sagt Hollande, er sei sehr schnell nach Berlin gekommen, weil er Merkel noch nicht persönlich kenne, "auch wenn ihr Ruf weit über die Grenzen reicht", was ein recht zweischneidiges Kompliment ist. Deutschland und Frankreich hätten eine "herausragende Verantwortung". Er wolle mit diesem Besuch ein "Bild des Vertrauens und des Zusammenhalts" schaffen. Ob sie denn noch Angst habe vor Hollande, wird die Kanzlerin gefragt. Angst habe sie selten, antwortet Merkel, "weil das kein guter Ratgeber in der Politik ist".

Mit der gemeinsamen Sprache könnte es noch etwas dauern

Man muss dann nicht allzu genau hinhören, um die unterschiedlichen Akzente zu erkennen: Einigkeit gibt es, dass Griechenland in der Euro-Zone verbleiben solle. Doch während Hollande Athen offen "zusätzliche" Unterstützung für wirtschaftliches Wachstum in Aussicht stellt, spricht Merkel nur davon, dies prüfen zu wollen.

Die Kanzlerin betont, dass sie sich mit Paris bis zum nächsten EU-Gipfel eng über Wachstumsimpulse für die ganze Euro-Zone abstimmen wolle, Hollande hingegen will erst einmal "alle Vorschläge auf den Tisch" legen, auch solche, die Merkel schon abgelehnt hat, wie die Euro-Bonds. Er wisse sehr wohl, dass hinter dem Begriff des Wachstums "unterschiedliche Ansätze stehen können", sagt der Präsident provokativ.

Mit der gemeinsamen Sprache des Interessenausgleichs könnte es also noch etwas dauern. Beim anschließenden Abendessen waren jedenfalls die Dolmetscher mit dabei. Merkel sprach Deutsch und Hollande Französisch.

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