Hohe Verluste für Konservative und Sozialisten:Wie die Griechen mit den Sparpolitikern abrechnen

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Die Bürger in Griechenland machen ihrer Wut auf die Politiker Luft und strafen die Regierungsparteien ab. Dem Land stehen nun schwierige Koalitionsverhandlungen bevor - und der Eurozone Tage und Wochen der Unsicherheit.

Kai Strittmatter, Athen

Es war die wichtigste Wahl seit dem Ende der Militärdiktatur 1974, und sie hat die politische Klasse in Griechenland auf den Kopf gestellt. Die beiden großen Volksparteien - die konservative Nea Dimokratia (ND) und die sozialistische Pasok - mussten dramatische Einbußen hinnehmen.

Anhänger der linksradikalen Syriza-Bewegung feiern ihren Erfolg. Mit mehr als 15 Prozent liegt sie knapp vor der sozialistischen Pasok-Partei, die eine bittere Niederlage hinnehmen musste. (Foto: dpa)

Hochrechnungen auf der Basis von knapp 45 Prozent ausgezählten Stimmen sahen die Pasok mit nur mehr 13,9 Prozent sogar auf Platz drei, hinter dem Linksbündnis Syriza (15,9 Prozent). Dessen Führer Alexis Tsipras hatte im Wahlkampf Front gegen die mit Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds (IWF) vereinbarten Rettungs- und Sparpakete gemacht. Auf Platz eins kam demnach die konservative ND mit 20,2 Prozent. Eine Rekordzahl von fast 40 Prozent der Griechen blieben der Wahl fern.

Griechenland stehen nun schwierige Koalitionsverhandlungen bevor und der Euro-Zone Tage und Wochen der Unsicherheit. Am Sonntagabend war zunächst unklar, ob das Ergebnis reichen würde für eine Neuauflage der Koalition von ND und Pasok, die mit den internationalen Geldgebern das neue Rettungspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro verhandelt hatten. Der erstplatzierten Partei teilt das Wahlrecht automatisch 50 Sitze als Geschenk zu. So hätten laut der Schätzungen ND und Pasok zusammen eine knappe Mehrheit im 300 Sitze großen Parlament.

Allerdings kämpften noch Parteien wie die Grünen und die rechtsnationalistische Laos um ihren Einzug ins Parlament. Mit jeder weiteren Partei aber, die den Sprung über die Drei-Prozent-Hürde schafft, erhöht sich der Stimmenanteil, den ND und Pasok für eine Mehrheit bräuchten.

Aus der Parteizentrale der ND verlautete am Sonntagabend, man wolle auf jeden Fall eine Wiederholung der Wahl im Juni vermeiden und stattdessen auf mögliche Koalitionspartner zugehen. Noch letzte Woche hatte ND-Chef Antonis Samaras verkündet, wenn es für eine Alleinregierung nicht reiche, wolle er lieber noch einmal wählen lassen als mit Pasok eine Koalition einzugehen. Offenbar treibt sowohl die ND als auch die Pasok die Angst vor einem weiteren Anschwellen der Proteststimmen bei erneuten Neuwahlen um.

Am Dienstag wird der Erstplatzierte - also wohl ND-Chef Antonis Samaras - vom Präsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Er hat dann drei Tage Zeit, also bis Freitag. Wenn er keinen Erfolg hat, geht das Mandat an den Zweitplatzierten über, also wohl auf Syriza-Chef Alexis Tsipras.

Laute Forderungen

Mehrere Parteien stehen vor dem erstmaligen Einzug ins Parlament, darunter die rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (10,4 Prozent) und die faschistische Goldene Morgenröte, der die Hochrechnung knapp sieben Prozent vorhersagte. Die meisten der kleinen Parteien sind gegen die Sparpakete. Es war eine Protestwahl der Bürger gegen die harten Sparmaßnahmen, die den Griechen Rekordarbeitslosigkeit und die allmähliche Verelendung der Mittelschicht bescherten. Selbst wenn es zu einer neuen Koalition von ND und Pasok kommt, müssen sich die Geldgeber auf laute Forderungen einstellen, die Sparpakete nachzuverhandeln. Eine wachsende Zahl von Ökonomen und Politiker fordern mehr Wachstumsanreize. Griechenlands Wirtschaft leidet schwer, schon jetzt ist klar, dass sie in diesem Jahr um mindestens weitere fünf Prozent schrumpfen wird.

Griechenland und Europa bekommen nach der Wahl keine Zeit zum Durchatmen. Wenn die neue Regierung in Athen den Bankrott und den Austritt aus der Euro-Zone vermeiden will, dann stehen ihre nächsten Aufgaben bereits fest. Schon im Juni wollen EU und IWF Beschlüsse sehen für weitere Einsparungen in Höhe von 11 Milliarden Euro für die Jahre 2013 und 2014. Der scheidende Übergangspremier Lukas Papadimos mahnte vorige Woche, es werde nun "die Zukunft Griechenlands in den nächsten Jahrzehnten" entschieden. In den vergangenen fünf Monaten hatte seine Notregierung mit EU und IWF ein zweites Hilfsprogramm in Höhe von 130 Milliarden Euro ausgehandelt. Private Geldgeber billigten zudem einen Schuldenschnitt in Höhe von 107 Milliarden Euro.

Papadimos mahnte seine Nachfolger eindringlich, die von ihm angestoßenen Gesetze und Reformen auch umzusetzen: "Leider sind unsere Erfahrungen in der Vergangenheit da oft entmutigend." Die mangelnde Umsetzung von Verabredungen durch Athen hat in den letzten zwei Jahren nicht nur die Regierungen anderer Euro-Staaten mehr und mehr frustriert. Auch viele Griechen beklagen, dass ihre Politiker statt der dringend notwendigen Strukturreformen einseitig aufs Sparen gesetzt hätten.

Bis zum Wahltag habe keiner ihrer Freunde wirklich gewusst, wen sie nun wählen sollten, erzählt die Athener Lehrerin Eleni Georgiadou. "Alle waren sich nur in einem einig: Wir mussten zur Wahl gehen. Wir mussten unserem Protest eine Stimme geben."

© SZ vom 07.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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