Hoeneß und die Selbstanzeige:Kavaliersstrafrecht? Nein danke!

Lesezeit: 3 min

Die Selbstanzeige ist eine Art Notlandung für Steuerhinterzieher. Und kann zu einer brutal harten Landung für den Beschuldigten führen: Zum Verlust von Reputation, Achtung, Ansehen. Doch sie stammt aus der Steuer-Steinzeit - und endet womöglich jetzt. Mit dem Fall Hoeneß.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Ab einer Million wird es hochgefährlich. Eine Million Euro Steuern hinterzogen: Das kann Gefängnis ohne Bewährung bedeuten. Das klingt brutal, ist es aber nicht. Es klingt nur deswegen brutal, weil das Strafrecht lange Zeit ein Strafrecht war für das Prekariat und die untere Mittelschicht. Bei Schwarzfahrern, Rauschgiftlern, Autoknackern und Schlägern packte es schon immer hart zu. Und bei Mord und Totschlag, den klassischen Kapitaldelikten also, läuft die Strafjustiz von jeher zu großer Form auf.

Erst neuerdings gilt das aber auch bei Kapitaldelikten der anderen Art, den Delikten also, bei denen das Kapital eine Rolle spielt. Kavaliersstrafrecht? Nein danke! Das ist vorbei. Bei Steuerhinterziehung droht Haft.

Das Steuerstrafrecht, das lange Zeit für die besseren Kreise ein gut wattiertes und gönnerhaftes Strafrecht war, ist zu einem echten, einem strafenden Strafrecht geworden. Das ist ein Menetekel für einen bisher ehrengeachteten Mann wie Uli Hoeneß. Für ihn geht es um alles oder nichts.

Uli Hoeneß hat das, was viele andere reiche Menschen auch haben: ein Konto im Ausland. Er hat damit das gemacht, was andere reiche Menschen auch machen: Er hat es wachsen lassen, er hat mit dem Geld gespielt und spekuliert, ohne Kenntnis des Finanzamts. Von den Erträgen wusste der Fiskus nichts. Hoeneß hat das Konto gestreichelt - so lange, bis ihm beim Streicheln heiß wurde. Die Hitze hatte weniger endogene, denn exogene Ursachen. Einst sichere Konten sind nämlich nicht mehr sicher, seitdem Daten, auf CDs gebrannt, bei deutschen Finanzämtern landen.

Die Entdeckungsgefahr stieg für Hoeneß so wie für viele andere - und wurde nur durch die Aussicht auf ein Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz gemildert. Nach diesem Vertrag wären Hinterzieher nicht nur straffrei, sondern anonym geblieben: Ihre Schweizer Banken hätten rückwirkend die pauschal-gnädige Nachversteuerung des Geldes vorgenommen. Die verkappte Großamnestie scheiterte an der SPD.

Selbstanzeige ist zur Kunst geworden

Ein Steuerdelikt ist zu einem Delikt mit kapitalen Auswirkungen geworden. Dieses Kapitaldelikt führt zu einer gesellschaftlichen Schubumkehr beim Beschuldigten, zu einer Rufumkehr: Er verliert Reputation, Achtung, Ansehen. All seine Verdienste werden bemäkelt, wenn er seine finanziellen Verdienste nicht ordentlich versteuert und das entdeckt wird. Schubumkehr dient beim Flugzeug der ordentlichen Landung, dem Abbremsen am Boden. Die vom Steuerdelikt ausgelöste Rufumkehr führt zu einer brutal harten Landung für den Beschuldigten.

Wenn diese Gefahr droht, bleibt nur die Selbstanzeige, wie sie Hoeneß erstattet hat. Sie ist eine Art Notlandung für Steuerhinterzieher. Bei einem Flugzeug weiß man sofort nach der Notlandung, ob sie gut geklappt hat. Im Fall der steuerrechtlichen Notlandung von Hoeneß weiß man das noch nicht - weil die Selbstanzeige so kompliziert geworden ist.

Es gibt, wenn sie zur Straflosigkeit führen soll, unendlich viel zu beachten; es reicht nicht mehr, Reue zu zeigen und viel Geld zu zahlen - Steuernachzahlung samt Aufschlägen; es müssen die gesamten irgendwie steuerlich relevanten Verhältnisse penibel aufgezeigt werden. Die Selbstanzeige ist zur Kunst geworden, zu juristischer Artistik. Im Fall Hoeneß wird sich der rechtliche Streit darum drehen, ob sie den peniblen Anforderungen genügte. Entweder Hoeneß hat die Selbstanzeige hingekriegt; dann ist er aus dem Schneider. Oder er hat sie nicht hingekriegt; dann steht er mit einem Fuß im Gefängnis.

Es ist dies eine im Wortsinn verrückte Konstellation: Die Strafbarkeit eines Beschuldigten hängt allein von der Kunst dessen ab, der ihm die Selbstanzeige schreibt. Nun weiß man, dass ein Täter sehr oft mit einem guten Anwalt besser wegkommt. Bei der Selbstanzeige steht und fällt aber die ganze Strafbarkeit, die Täterschaft als solche, mit der peniblen Einhaltung der Regeln. Schon dies zeigt: Die strafbefreiende Selbstanzeige, die es nur im Steuerstrafrecht gibt, gehört abgeschafft. Sie ist ein heilloses Instrument, das heillosen Regeln gehorcht.

Die Selbstanzeige stammt aus der Steuer-Steinzeit, aus dem 19. Jahrhundert. Der Staat stellte sein Interesse an Steuereinnahmen über alles andere; das Geld des Hinterziehers war ihm lieber als Strafgerechtigkeit. So wurden Steuerdelikte zu unechten Delikten - unecht, weil sich der Täter per Steuernachzahlung jederzeit selbst amnestieren konnte. Weil das schreiend ungerecht ist, hat der Gesetzgeber jüngst, angetrieben von der Justiz, die Regeln für Selbstanzeigen ziseliert. Nun sind sie so kompliziert, dass sie kaum noch funktionieren. Die Selbstanzeige erstickt an ihren eigenen Regeln. Die Geschichte der Selbstanzeige endet womöglich mit dem Fall Hoeneß.

© SZ vom 23.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: