Nach der Flutkatastrophe:"Da habe ich einen Riesenrespekt vor dem, was da vor uns liegt"

Wollen und können die Menschen in Orten wie Altenahr überhaupt bleiben? Malu Dreyer und Angela Merkel lassen sich am Freitag die Lage erklären.

Wollen und können die Menschen in Orten wie Altenahr überhaupt bleiben? Malu Dreyer und Angela Merkel lassen sich am Freitag die Lage erklären.

(Foto: Markus Schreiber/dpa)

Wie geht es voran mit dem Aufräumen in den zerstörten Orten im Ahrtal? Kanzlerin Merkel und Ministerpräsidentin Dreyer machen sich selbst ein Bild davon.

Von Gianna Niewel, Grafschaft

Vor fast sieben Wochen war Angela Merkel schon mal im Ahrtal, sie stand in Schuld auf einem Berg und schaute nach unten. Da klebte der Schlamm in den Häusern, da räumten Panzer Baumstämme aus dem Fluss. Die Kanzlerin sprach von einer "surrealen, gespenstischen" Situation. Am Freitag war Merkel wieder in der Region, diesmal im Ort Altenburg. Gemeinsam mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) wollte sie schauen, wie sich die Aufräumarbeiten entwickelt haben. Was hat sie gesehen?

"Ich bin beruhigt, dass erkennbar ein Unterschied ist gegenüber den Bildern vor sieben Wochen", sagte Merkel bei der anschließenden Pressekonferenz. Andererseits: "Wenn man in diese leeren Häuser hineinschaut, die alle mindestens entkernt werden müssen, und es ist Anfang September, da habe ich einen Riesenrespekt vor dem, was da vor uns liegt."

Um die Menschen zu unterstützen, haben sich Bund und Länder auf einen Wiederaufbaufonds in Höhe von 30 Milliarden Euro geeinigt. Betroffene Haushalte und Unternehmen bekommen bis zu 80 Prozent der entstandenen Schäden ausgeglichen; wenn sie besonders betroffen sind und den Härtefall begründen können, erhalten sie den gesamten Schaden ausgeglichen. Der Bundesrat soll in der nächsten Woche zustimmen. Zwei der 30 Milliarden kommen hierbei allein vom Bund, mit dem Geld sollen Straßen und Brücken wiederaufgebaut werden. Merkel sagte am Freitag, man habe sich mit dem Bundesverkehrsminister darauf geeinigt, andere Großbaustellen zurückzustellen, um so in den betroffenen Regionen schneller helfen zu können.

Was wieder aufgebaut wird, ist noch nicht entschieden

Für die Menschen geht es aber nicht nur um die Infrastruktur. Während es mittlerweile fast überall in der Region wieder Strom gibt, sind noch nicht alle Orte mit Wasser versorgt. In Mayschoß wurde erst diese Woche eine Kläranlage in Betrieb genommen. Für sie geht es auch darum, ob sie in Dernau und Schuld, in Insul und Altenahr bleiben können - und ob sie es überhaupt wollen. Der Bürgermeister von Bad-Neuenahr-Ahrweiler hatte hochgerechnet, dass etwa ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger seine Stadt verlassen könnten.

Welche Bereiche der verwüsteten Region entlang der Ahr wieder aufgebaut werden, ist noch nicht entschieden. Die Frage sei sehr kompliziert, sagte Ministerpräsidentin Dreyer. Aktuell würden die Überschwemmungsgebiete entlang des Flusses neu ausgewiesen. Bereits in der vergangenen Woche hatte sie im Landtag angekündigt, dass die meisten Menschen, die ihr Haus an der alten Stelle neu aufbauen wollen, dies auch könnten. In den Gebieten, in denen die Gefahr einer erneuten Flut zu groß sei, helfe das Land den Kommunen, Ersatzflächen zu finden.

"Wir sind weit davon entfernt, die Sache sich selbst zu überlassen", sagte auch die Kanzlerin. Ein solches Ereignis biete die Gelegenheit, daraus zu lernen, etwa, dass es nicht reiche, den Klimawandel nur zu bekämpfen - es gehe viel mehr um eine Anpassung. Am Sonntag reist die Kanzlerin nach Nordrhein-Westfalen, um dort mit Armin Laschet die Schäden zu besichtigen.

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