Hochwasser in Pakistan:Millionen obdachlos, Präsident in Nobelhotel

Während 4,5 Millionen Pakistaner vor den Überschwemmungen fliehen, ist Präsident Zardaris auf Europareise. Die Opposition wirft ihm vor, das Volk im Stich zu lassen.

J. Schmidt

Die Ausweitung der Flutkatastrophe in Pakistan bringt die Regierung in Bedrängnis. Nachdem es am Freitag erneut geregnet hat, sind nun 4,5 Millionen Menschen von den Überschwemmungen betroffen. Die Kritik an Präsident Asif Ari Zardari wird schärfer, weil er trotz der Krise im Land seine einwöchige Reise durch Europa nicht abgebrochen hatte.

A young boy cries as he waits for a handout of food items with flood victims taking refuge at a make-shift camp in the Muzaffargarh district of Pakistan's Punjab province

Flüchtlinge im Muzaffargarh-Bezirk. Insgesamt sind in Pakistan 4,5 Millionen Menschen von der Flut betroffen.

(Foto: REUTERS)

"Wieso wohnt unser Präsident im teuersten Hotel Londons?"

Nach einem Besuch in den Überschwemmungsgebieten im Norden des Landes sagte Oppositionsführer Nawaz Sharif: "Wir sind von Herrn Zardari sehr enttäuscht worden." Der frühere Premierminister und Anführer der Pakistanischen Muslim Liga fügte hinzu, anstatt mit seinem Sohn und designierten Nachfolger Bilawal Bhutto Zardari durch England zu reisen, sollte der Präsident lieber in Pakistan helfen, die Katastrophe zu bewältigen. Der Oppositionspolitiker und frühere Cricket-Star Imran Khan fragte: "Wieso wohnt unser Präsident im teuersten Hotel Londons, während Tausende Menschen im Stich gelassen werden?"

Zardari versuchte, der Kritik auszuweichen. Er verwies auf die Bedeutung seiner Europa-Reise für die Katastrophenhilfe in Pakistan. Demonstrativ dankte er dem britischen Premierminister David Cameron nach einem Treffen auf dessen Landsitz Chequers am Freitag für die zugesagte Nothilfe von umgerechnet zwölf Millionen Euro. Zudem betonte er, es sei gelungen, den Streit mit der britischen Regierung auszuräumen, nachdem Cameron vergangene Woche ungewöhnlich offen kritisiert hatte, dass Pakistan die Taliban unterstütze. Pakistan hat strategische Bedeutung für den Krieg in Afghanistan, aber auch als eine von zwei Atommächten in Südasien.

Premier verhandelt mit Gangster-Gruppen

Zardari sah sich dennoch gezwungen, auf die Kritik in der Heimat einzugehen. Eine mit Spannung erwartete Rede seines Sohnes Bilawal am Samstag in Birmingham wurde abgesagt. Stattdessen werde dieser helfen, Spenden für die Flutopfer zu sammeln, hieß es.

A family wades through flood waters in Shah Bela village in Sukkur at Pakistan's Sindh province

Eine Familie watet durch die Flut. In Pakistan sind mittlerweile 4,5 Millionen Menschen von den Überschwemmungen betroffen.

(Foto: REUTERS)

Auch Pakistans Premier Yusuf Raza Gilani versuchte, Zardari in Schutz zu nehmen: "Ich bin der Regierungschef", sagte er, "ich bin hier, und mein gesamtes Kabinett ist hier, um die Rettungsarbeiten zu überwachen, was unsere Aufgabe ist, und nicht die des Präsidenten."

Premier verhandelt in Karatschi

Jedoch musste Gilani einräumen, dass auch er sich nicht voll auf die Rettung der Flutopfer konzentrieren könne, weil die staatlichen Sicherheitskräfte erneut bei ihrem Versuch scheiterten, die Unruhen in der südpakistanischen Wirtschaftsmetropole Karatschi unter Kontrolle zu bringen. Nachdem dort am Montag der Provinz-Abgeordnete Raza Haider erschossen worden war, brachen Kämpfe zwischen kriminellen Mitgliedern von zwei rivalisierenden Parteien aus, die auch in der Nacht zum Freitag anhielten. Dabei starben erneut 11 Menschen, womit die Zahl der Opfer seit Montag auf 92 stieg. Angesichts dieser Eskalation fuhr Gilani am Freitag für zwei Tage nach Karatschi, um Verhandlungen mit Vertretern der rivalisierenden Parteien aufzunehmen.

Die Wassermassen erreichten am Freitag auch die südlichste Provinz Sindh. Bislang war der Norden des Landes von den Überschwemmungen am schlimmsten betroffenen Norden des Land. Die Rettungsmannschaften brachten am Freitag 500.000 Menschen in Sicherheit. Nach Angaben der Provinzregierung von Sindh mussten dort viele Bewohner gezwungen werden, ihre Wohnungen zu verlassen. Bei der Flut starben bislang 1600 Menschen.

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