Hochwasser:Hochwasserlage bleibt dramatisch

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Im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm stehen seit Sonntagvormittag große Teile des Ortes Reichertshofen unter Wasser. Kanzler Olaf Scholz, Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sehen sich am Montag das Ausmaß der Überflutung an. (Foto: LUKAS BARTH/AFP)

Die Flut richtet in Süddeutschland schwere Schäden an. Bei einem Besuch im Katastrophengebiet verspricht Kanzler Olaf Scholz Unterstützung für die Betroffenen. Eine Pflichtversicherung lehnt die FDP ab.

Von René Hofmann, München

Dammbrüche, dramatische Rettungsaktionen und die Aussicht auf weiter steigende Pegel: Große Teile Bayerns dürften auch in den kommenden Tagen im Hochwasser versinken. Die Lage bleibe "ernst und kritisch und angespannt", erklärte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montag in Reichertshofen in Oberbayern bei einem gemeinsamen Besuch mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD).

Im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm, in dem Reichertshofen liegt, hatte es in der Nacht auf Montag und am Morgen mehrere Dammbrüche gegeben. Die Bewohner waren aufgefordert worden, schnell in höher gelegene Stockwerke zu fliehen. Dramatische Szenen hatten sich auch in Günzburg abgespielt. In den frühen Morgenstunden wurden zwölf Menschen per Helikopter von Balkonen und Dächern geholt - darunter auch ein erst wenige Tage altes Baby.

Für eine 43-Jährige kam im bayerischen Schrobenhausen jede Hilfe zu spät, die Frau wurde am Montagvormittag tot im Keller eines Hauses gefunden. Am Nachmittag bargen Einsatzkräfte eine Frau und einen Mann tot aus einem leer gepumpten Keller im württembergischen Schorndorf in der Nähe von Stuttgart. Damit stieg die offizielle Zahl der Todesopfer des Hochwassers auf vier. Am Sonntag war in Pfaffenhofen an der Ilm ein Feuerwehrmann bei einem Einsatz mit Kollegen gekentert und ums Leben gekommen. Ein 22-jähriger Feuerwehrmann wird nach einem ähnlichen Unglück in Offingen im Landkreis Günzburg noch vermisst.

Nach Angaben des bayerischen Ministerpräsidenten waren am Montag rund 20 000 Hilfskräfte im Einsatz, mehr als 3000 Menschen seien aus ihren Häusern gebracht worden. Tendenz steigend, so Söder, denn: "Wir sehen, dass das Hochwasser jetzt wandert." Und zwar in Richtung Regensburg.

Die Stadt hat den Katastrophenfall ausgelöst. Der Hochwassernachrichtendienst Bayern rechnet damit, dass die Donau bald ähnlich viel Wasser führen wird wie beim verheerenden Hochwasser 2002, zumal der Deutsche Wetterdienst bis Wochenmitte weiteren Regen prophezeit.

Schon jetzt sind die Auswirkungen auf den Verkehr gravierend. Die Deutsche Bahn rät von Fahrten nach Süddeutschland ab. München konnte am Montag von Stuttgart, Würzburg und Nürnberg aus auf den Gleisen nicht angefahren werden. Die Autobahn 9 war nach einem Dammbruch zeitweise gesperrt. Während der Aufräumarbeiten wurde in Richtung München eine Blockabfertigung eingerichtet.

Söder will mehr Überschwemmungsflächen bauen lassen

Bundeskanzler Olaf Scholz sicherte den Hochwasser-Geschädigten bei seinem Besuch Unterstützung zu: Solidarität sei das, "was wir als Menschen am meisten brauchen", sagte er. "Wir werden alles dazu beitragen, auch mit den Möglichkeiten des Bundes, dass hier schneller weiter geholfen werden kann."

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte Zusagen von Bundeshilfen zuvor in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk bereits angemahnt - und gleichzeitig in Aussicht gestellt, auch das Land werde helfen. SPD und Grüne, die Oppositionsparteien im Bayerischen Landtag, forderten dabei Tempo. "Das können wir diese Woche noch gemeinsam bei den Haushaltsberatungen im Landtag beschließen", sagte SPD-Fraktionschef Florian von Brunn. Katharina Schulze, die Fraktionschefin der Grünen im Landtag, forderte ein Soforthilfeprogramm über mindestens 100 Millionen Euro für private Haushalte, Firmen und Kommunen. Das Geld solle den Rücklagen entnommen werden.

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Mögliche Hochwasserhilfen sollen an diesem Dienstag in seinem Kabinett besprochen werden, kündigte Söder an, der auch mehr Polder, also eingedeichte Überschwemmungsflächen, bauen will. Die Polder-Strategie müsse ausgeweitet werden - auch wenn sich in betroffenen Gebieten Widerstand gegen diese Form des Hochwasserschutzes rege.

Zudem plädiert der CSU-Chef, wie auch sein baden-württembergischer Kollege Winfried Kretschmann (Grüne) für eine Pflichtversicherung für Gebäude gegen Elementarschäden. Bisher ist es für Hausbesitzer in Risikoregionen sehr teuer, eine solche Versicherung abzuschließen - wenn die Versicherungen sie überhaupt anbieten. Bei einer Pflichtversicherung würden das Risiko und die Kosten auf alle Versicherten umgelegt. Die Versicherungsbranche und das FDP-geführte Bundesjustizministerium lehnen ein solches Vorgehen ab. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bekräftigte dies am Montag in Berlin erneut mit den Worten: "Eigentum ist in Deutschland jetzt schon für viele Menschen zu teuer."

Angesichts der dramatischen Bilder aus dem Süden steigt nun aber der Druck. Bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Juni werden Bund und Länder darüber beraten. Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, sagte am Montag der Deutschen Presse-Agentur: "Ich habe die klare Erwartung, dass Olaf Scholz jetzt zu seinem Wort steht und eine Pflichtversicherung für Elementarschäden einführen wird."

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kündigte ein neues Gesetz zum besseren Schutz vor Hochwasser in Deutschland an. "Es wird immer deutlicher, dass wir uns gegen die Folgen der Klimakrise besser schützen müssen", teilte die Ministerin am Montag mit. "Dafür brauchen wir auch ein neues Hochwasserschutzgesetz." Hierzu gebe es bereits "intensive Gespräche" mit den Bundesländern.

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