Hochrechnungen:Schweizer lehnen Grundeinkommen ab

  • Die Schweizer haben sich mit großer Mehrheit gegen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens entschieden: Laut amtlichem Endergebnis stimmten 76,9 Prozent der Teilnehmer am Sonntag gegen das Vorhaben - nur 23 Prozent dafür.
  • Das Konzept sah vor, dass der Staat jedem Erwachsenen umgerechnet 2260 Euro pro Monat steuerfrei zahlen sollte, pro Kind sollten 565 Euro überwiesen werden.
  • Gegner der Initiative hatten mit unvermeidbaren und drastischen Steuererhöhungen argumentiert.

In der Schweiz wird es kein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Einwohner geben. Die Eidgenossen lehnten eine solche Zahlung in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit ab: Laut amtlichem Endergebnis stimmten 76,9 Prozent der Teilnehmer am Sonntag gegen das Vorhaben - nur 23 Prozent dafür. Die Wahlbeteiligung bei dem Referendum lag bei 46 Prozent.

Für den Mitbegründer der "Initiative Grundeinkommen" ist das Ergebnis nach eigener Aussage dennoch ein Erfolg. "Wir wussten vorher, dass wir gewinnen werden - wenn auch nicht die Mehrheit", sagte der deutsche Philosoph Philip Kovce. Man habe eigentlich nur mit 15 Prozent Zustimmung gerechnet. Kovce sieht einen Sieg darin, dass die Idee im Gespräch bleibe und das Ringen für ihre Verwirklichung weitergehe.

Rezepte für die Ära der Digitalisierung

Die Schweiz wäre das erste Land Europas mit einem Grundeinkommen gewesen. In vielen Ländern sind Debatten über die Gesellschaft der Zukunft längst im Gange. In den Niederlanden und Finnland soll demnächst gar mit staatlich geförderten Pilotprogrammen für Grundeinkommen experimentiert werden.

Gesucht werden Rezepte für eine Ära, die von der Digitalisierung und der Ausbreitung von Robotertechnik geprägt sein wird. In der Schweiz hatten allerdings die Regierung, das Parlament, die Wirtschaftsverbände und auch der Gewerkschaftsbund die "Initiative Grundeinkommen" abgelehnt.

Das Konzept sah vor, dass der Staat jedem Erwachsenen 2500 Schweizer Franken (knapp 2260 Euro) pro Monat steuerfrei zahlen sollte, egal ob er die Schweizer Nationalität hat oder eine andere. Einwanderer wären also auch Empfänger geworden. Pro Kind sollte der Staat umgerechnet 565 Euro auf das Konto der Eltern überweisen. Das Grundeinkommen sollte mit anderen Zahlungen, etwa der Rente, verrechnet werden.

Argumente von Befürwortern und Gegnern

Das Grundeinkommen sei die humanistische Antwort auf den technologischen Fortschritt, warb die Initiative. Es sei ein demokratisch bestimmter Sockelbetrag zum Arbeiten und Leben, die Menschen würden von der Existenzangst befreit.

Das Hauptargument der Gegner war die Finanzierung: Der Staat könne nur durch massive Steuererhöhungen die Zahlungen sicherstellen. Höhere Steuern aber würden die Konjunktur abwürgen und das Land in einen Teufelskreis führen. Zudem führe das Konzept zu einem Erlahmen der wirtschaftlichen Antriebskräfte und höhle die Eigenverantwortung der Bürger aus.

Eine Mehrheit stimmte für schnellere Asylverfahren

Angenommen haben die Schweizer hingegen eine Gesetzesreform, mit der eine Beschleunigung der Asylverfahren erreicht werden soll.

Künftig sollen die meisten Verfahren zentral in Asylzentren nach 140 Tagen abgeschlossen sein. Schutzsuchende dürften nicht unnötig lange in Ungewissheit leben, erklärte die Regierung. Bisher dauern Asylverfahren oft jahrelang. Dadurch werde die soziale und berufliche Integration behindert. Zudem erhalten Asylbewerber einen kostenlosen Rechtsschutz. Asylsuchende seien häufig mittellos, beherrschten die jeweilige Landessprache nicht und seien nicht mit dem Rechtssystem vertraut, hieß es zur Begründung.

Gegen die Reform wehrte sich die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei. Sie lehnte die "Gratisanwälte" als teures Privileg ab und warnte davor, dass mehr Asylbewerber in die Eidgenossenschaft kommen könnten. Im vergangenen Jahr wurden in der Schweiz knapp 40 000 Asylgesuche eingereicht, das Land hat mehr als acht Millionen Einwohner.

Außerdem votierten die Eidgenossen für die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik unter bestimmten engen Voraussetzungen.

Initiative für besseren Service in Bundesbetrieben scheitert

Nicht durchsetzen konnte sich die Initiative Pro Service Public, für die aber immerhin ein Drittel der Stimmberechtigten votierte. Die Initiatoren wollten öffentliche Betriebe neu ausrichten - guter Service sollte wichtiger werden als hoher Profit.

Doch das wollten die Schweizer genauso wenig wie eine Deckelung der Löhne in den Chefetagen der Bundesbetriebe. Pro Service Public hatte sich zuvor gewundert, warum etwa Bundesrätin Doris Leuthard pro Jahr nur knapp halb so viel verdiene wie etwas Bahn-Chef Andreas Meyer, der doch faktisch ihr Untergebener sei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: