Süddeutsche Zeitung

Zweiter Weltkrieg:Beliebte Landser

  • Ein neuer Sammelband hinterfragt das Ansehen der Wehrmacht bis in die Gegenwart.
  • In den 50er Jahren entstand demnach der Mythos von der angeblich "sauberen" Armee Hitlers im Zuge der westdeutschen Debatte um die Wiederbewaffnung.
  • Aktuell macht der Herausgeber eine Entwicklung aus, die auf eine Renaissance des positiven Wehrmachts-Bildes hinausläuft - doch für diese These finden sich nur wenige Belege.

Rezension von Isabell Trommer

Im Nürnberger Prozess waren nicht nur Politiker, sondern auch Offiziere wie Karl Dönitz, Erich Raeder oder Alfred Jodl angeklagt. Im Nachfolgeprozess gegen das Oberkommando der Wehrmacht wurden 1949 weitere Befehlshaber verurteilt.

Das Bild einer "sauberen" Wehrmacht setzte sich dennoch bald durch, auch die Aufstellung der Bundeswehr habe deren Rehabilitierung vorausgesetzt, so der Historiker Jens Westemeier. Nicht zuletzt sei die Diskussion über einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag in den 50er-Jahren ein "Katalysator" für ein positives Bild der Wehrmacht gewesen.

Seit den vom Hamburger Institut für Sozialforschung organisierten Ausstellungen über den Vernichtungskrieg sowie den dadurch ausgelösten Debatten in den 90er-Jahren hat sich die öffentliche Wahrnehmung der Wehrmacht jedoch gewandelt.

Forschungsergebnisse der vergangenen Jahrzehnte wanderten durch die Republik. Westemeier hat nun einen Band herausgegeben, in dem das populäre Bild der Wehrmacht im Mittelpunkt steht.

Die Autorinnen und Autoren untersuchen zum einen Filme, Sachbücher und Romane, Marine-Heftchen und die Darstellung der Wehrmacht im Internet. Zum anderen nehmen sie unterschiedliche Aspekte einer idealisierten Vorstellung der Wehrmacht in den Blick. So wird deutlich, wie etabliert und vielfältig positive Wehrmachtsbilder in populären Genres sind.

Um Kriegsromanheftreihen geht es etwa im Beitrag von Gerhard Wiechmann. Das Genre habe sich im Kaiserreich etabliert; in den frühen Fünfzigern seien besonders Luft- und Seekriegsthemen erfolgreich gewesen, denn im "Gegensatz zu Lesern der Landser-Hefte" habe man sich mit der Lektüre nicht dem Verdacht ausgesetzt, "politisch eher rechts zu stehen". Der Seekrieg habe als "ritterlich" gegolten, der Holocaust hatte schließlich nicht auf hoher See stattgefunden.

Wie erfolgreich die Bemühungen ehemaliger Offiziere waren, ein positives Bild der Wehrmacht zu verbreiten, zeigt Esther-Julia Howell. In der Historical Division der U.S. Army konnten sie ihre Sicht der Dinge zum Besten geben.

Gaulands Stolz auf die Weltkriegssoldaten

Deren kriegsgeschichtliche Studien fanden über die amerikanischen Streitkräfte hinaus Verbreitung. Insgesamt bietet der Band einen guten Überblick über das populäre Bild der Wehrmacht vom Kriegsende bis in die Gegenwart.

Gegenwärtig macht der Herausgeber eine Entwicklung aus, die "schon überwunden geglaubte Mythen über die Wehrmacht und die deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg wiederbelebt", doch für diese These finden sich nur wenige Belege.

Ein Hinweis auf die Rede Alexander Gaulands etwa, der 2017 von dem Recht sprach, "stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen", reicht nicht hin, um diese Einschätzung zu stützen.

Populäre Bilder der Wehrmacht bleiben gewiss wirksam, wie Westemeier an anderer Stelle schreibt, oder finden neue Formen; von einer allgemeinen Renaissance der Legende muss man deshalb nicht ausgehen.

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Quelle:
SZ vom 25.11.2019/odg
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