Die Wirklichkeit war anders. Unter italienischer Besatzung und Ausbeutung verhungerten unzählige Griechen - wobei daran auch die britische Seeblockade ihren Anteil hatte. Italienische Truppen plünderten, vergewaltigten und verübten Massaker nach Partisanenangriffen, zum Beispiel in dem Dorf Domenikon, wo am 16. Februar 1943 Soldaten der 24. Infanteriedivision Pinerolo 150 Zivilisten ermordeten.
Die breite italienische Öffentlichkeit mag sich dessen auch heute noch nicht voll bewusst sein. Ein Tabu ist das Massaker aber längst nicht mehr. Etliche jüngere italienische Historiker konfrontieren ihr Land schonungslos mit den Weltkriegsverbrechen. Und das große Polit-Magazin Espresso schrieb im Jahr 2008: "An jenem Tag verwandelten sich die italiani brava gente in Bestien." Das Massaker steht auch im Mittelpunkt des Dokumentarfilms "La guerra sporca di Mussolini" (Der schmutzige Krieg Mussolinis).
Schlimmer als die Italiener wüteten die Deutschen
Tobten die Italiener in Griechenland also genauso wüst wie die Deutschen, deren Untaten bei der Unterdrückung der Griechen, zum Beispiel beim Massaker von Distomo, gut dokumentiert sind? Nein. "Die italienischen Verbrechen kommen weder quantitativ noch qualitativ an die deutsche Vernichtungsintensität heran", sagt Lutz Klinkhammer vom Deutschen Historischen Institut in Rom, der sich intensiv mit den Entschädigungsfragen aus dem Zweiten Weltkrieg befasst hat. "Die Zahl der Opfer der Italiener ist nicht annähernd so hoch wie die der Deutschen. Und es waren die Deutschen, die die griechischen Juden vernichteten."
Zudem begingen Wehrmachtssoldaten in Griechenland auch noch ein furchtbares Kriegsverbrechen an ihren ehemaligen Kameraden, den Italienern. Nachdem Italien im September 1943 einen separaten Waffenstillstand mit den Alliierten geschlossen hatte, forderten die Deutschen die Kapitulation aller italienischer Soldaten. Auf der Insel Kefalonia weigerten sich die Italiener, ihre Waffen abzugeben. Sie kämpften, wurden von deutschen Gebirgsjägern besiegt, entwaffnet und niedergemetzelt.
Ungefähr 5000 Italiener sollen getötet worden sein. Der frühere Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi sagte einmal bei einem Besuch auf der Insel: "Die auf Kefalonia gefallenen Soldaten stehen für die erste Tat des italienischen Widerstands."
Italien hat keine juristische Schuld - aber eine moralische
Zurück zu den Griechen: Die deutsche Schuld ihnen gegenüber wiegt deutlich schwerer als die italienische. Auch juristisch sind die Italiener in einer besseren Position. Im Gegensatz zu Deutschland schloss Italien einen Friedensvertrag mit Griechenland, der 1948 ratifiziert wurde. Darin verpflichtete sich Italien, die Inseln des Dodekanes, zu der Rhodos gehört, an Griechenland abzutreten und Reparationen in Höhe von 105 Millionen Dollar zu bezahlen.
"Italien ist aufgrund des Friedensvertrags juristisch auf der sicheren Seite", sagt der Historiker Klinkhammer. Moralisch aber habe auch Rom seinen Anteil an den griechischen Leiden der Besatzungszeit.
Aktuell mag Griechenland ein Problemstaat sein. Historisch hat es sich große Verdienste im Kampf für ein freies Europa erworben. Das bleibt unvergessen.
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